von Hannibal Wissing
Bundesliga mit Geisterspielen – ein Grund zur Freude, oder doch eher Gruselveranstaltung? Wie ein Fan und ein Mitarbeiter eines Bundesligavereins den Re-Start erlebten.
Dass man Corona nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte, war klar. Dass deswegen der Fußball unterbrochen wurde, hat mir erst aufgezeigt, wie ernst die Lage ist.“ Leon ist Student und zählt zur aktiven Fan Szene von Eintracht Frankfurt. Er opfert der Diva vom Main einen Großteil seiner Freizeit. Die Unterbrechung des Spielbetriebs empfand er nicht als willkommene Pause, um sich seiner Bachelorarbeit zu widmen. „Leider gar nicht. Am Wochenende gehe ich immer ins Stadion. In der Kurve zu stehen und alles für die eigene Mannschaft zu geben, ist für mich ein genauso wichtiger Ausgleich wie für viele andere der Sport oder am Wochenende um die Häuser zu ziehen“, sagt er.
Leon war aber nicht nur enttäuscht von der Saisonunterbrechung, er tut sich auch schwer mit dem Re-Start der Bundesliga. „Wer glaubt, es ginge um das Sportliche und den Zuschauer, hat Scheuklappen auf. Hohe Ticketpreise, dubiose Sponsoren-Deals, Gehälter etc. sind Dinge, die einem aufzeigen, dass Geld eine viel zu große Rolle im Fußball spielt.“ Was die Bundesliga für Leon ausmache, sei nun mal die Fankultur, die durch die Geisterspiele komplett wegbreche. Ohne Fankulisse hat er wenig Interesse am Fußball.
Warum Woche für Woche millionenschwere Fußballvereine spielen dürfen, Kitas und Schulen aber zu bleiben müssen, ist ihm ein großes Rätsel. Das decke auf, was aus seiner Sicht in der Gesellschaft falsch läuft. „Überall sonst muss die Welt stillstehen, damit die Gefahren des Corona-Virus so klein wie möglich gehalten werden. Der Fußball wird mal wieder bevorzugt behandelt und bekommt Sonderrechte.“
Mit dieser Meinung steht er nicht alleine. Eine im Mai durchgeführte Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen zum damaligen Zeitpunkt gegen die Fortsetzung der Bundesliga war. Aus dem „Deutschlandtrend“ im ARD-Morgenmagazin ging hervor, dass 56 Prozent den Re-Start kritisch bewerten. Knapp 31 Prozent sprachen sich für die Fortführung aus. Zwölf Prozent gaben an, sich nicht für Fußball zu interessieren und ein Prozent machte keine Angaben. Aus Prinzip weigern sich viele Fans, die der Szene angehören, die Geisterspiele zu verfolgen. Leon hingegen bezeichnet sich selbst als nicht „stark genug“, um den Fernseher aus zu lassen. Anstatt samstags um 15:30 Uhr im Stadion zu stehen, sitzt Leon um diese Zeit mit seinen Freunden vor einem Bildschirm. Zwar ist er nicht mit derselben Intensität dabei, allerdings bezeichnet er sich am Ende auch nur als einen „kleinen Jungen, der wissen will, wie seine Eintracht spielt.“
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Robin betrachtet den Fußball aus einer anderen Perspektive. Er hat vor kurzem sein Studium beendet und arbeitet im Bereich Merchandising eines etablierten Bundesliga-Vereins. Er sieht die Sache nüchtern. „Man sagt ja, Fußball ist die schönste Nebensache der Welt, aber eben auch nur eine Nebensache.“ Sein Job hängt vom mittelfristigen Erfolg des Vereins ab. Um seine Zukunft macht er sich keine Sorgen. Vereine nehmen schließlich nicht nur durch die Zuschauer im Stadion Geld ein, sondern vor allem mit TV-Übertragungsrechten. Einige Vereine wie Schalke 04 gerieten durch die Unterbrechung der Bundesliga zwar in eine finanzielle Schieflage, das traf allerdings nicht auf Robins Arbeitgeber zu. Und ab dem Zeitpunkt, als Geisterspiele ein Thema wurden, war ihm klar, dass der Fußball sich erholen wird. „Die DFL hat ein sehr gutes Konzept vorgelegt und gezeigt, wie es möglich gemacht werden kann unter gewissen Auflagen diesen Zweig der Wirtschaft wieder anzukurbeln.“ Lediglich an der Kommunikation der Funktionäre hat er etwas auszusetzen. In seinen Augen hat die DFL nicht deutlich genug gemacht, dass Fußball nur dann gespielt wird, wenn die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet ist.
Die Geisterspiele nimmt Robin gerne in Kauf, weil er denkt, dass die Gesundheit der Leute vorgeht. Er hat auch kein Problem damit, wenn sie vorübergehend zur Normalität werden. Zu keinem Zeitpunkt habe es ihm gefehlt, die Spiele im Stadion schauen zu können Stattdessen setzt er sich nun gemütlich mit seinem Mitbewohner vor den Fernseher und fiebert von dort aus mit. Seitdem die Kontaktbeschränkungen gelockert sind, kann man sich unter Einhaltung der Abstandsregeln treffen und in Gruppen schauen. „Wenn das Stadion weiterhin zu bleibt, gehen wir wenn möglich in eine Kneipe.“
Mittlerweile ist die Saison beendet. Der FC-Bayern bleibt Meister und die Eintracht aus Frankfurt erstklassig. Ob sich an der Sicht der Fans etwas geändert hat, soll eine Umfrage des „FC PlayFair! beantworten. 60 Prozent von 3500 Befragten attestieren der DFL ein gutes Hygienekonzept. 65 Prozent freuten sich, Fußball zumindest wieder im Fernsehen schauen zu können. Doch auf die Frage, ob der Fußball ohne Fans in den Arenen seine Faszination verliert, antworteten 85 Prozent mit „Ja“. Bis die Bundesliga mit Zuschauern weiter geht, wird es wohl noch einige Monate dauern. Erste Ideen dazu gibt es schon – Union Berlin will seine Fans bis spätestens 24 Stunden vor Anpfiff testen lassen – wer einen negativen Befund mit seiner Eintrittskarte vorweisen kann, darf ohne Abstand und Maske Fangesänge im Stadion an der Alten Försterei anstimmen.