Liebe(r) auf Abstand

von Lara Kirschbaum

Netflix & Chill war gestern! Während der Corona-Pandemie ist FaceTime & Wine imTrend. Dating-Apps ermöglichen sogar romantische Treffen – wenn auch im virtuellen Raum.

Mitte März bin ich von Frankfurt nach Wien gefahren, um mich mit ihm zu treffen. Es fühlte sich wie ein normales Date an, doch dann hat Österreich am nächsten Tag den Lockdown verkündet!’’ Panik bricht bei Rebekka Rasche aus, der 24jährigen Theater- und Orchestermanagement Studentin. Die Verabschiedung von ihrem Tinder-Date ist wie eine Achterbahnfahrt: Hoch und runter gehen die Emotionen – und alles geht rasend schnell. Sie springt in den ersten Zug zurück nach Deutschland. Nach der Passkontrolle in Passau ist klar: ,,Jetzt werde ich erstmal auf Dates verzichten müssen.“

Wie Rebekka ergeht es vielen jungen Menschen momentan in Deutschland. Das Liebesleben von Singles und Paaren wird auf die Probe gestellt. Corona heißt der Spielverderber. Geschlossene Bars, Cafés und eine Maskenpflicht machen die Sache nicht einfacher. Insbesondere nicht für diejenigen, die neue Kontakte knüpfen wollen. Doch die zwei Singlefrauen Charly und Rebekka überbrücken ihre freie Zeit mit der Dating-App ,,Tinder’’. An die große Liebe glauben sie beide nicht. Dennoch möchten sie auch während der Ausgangsbeschränkung auf romantische Dates nicht verzichten – notfalls im virtuellen Raum.

Smartphones sind aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Eine wichtige Rolle spielen sie vor allem im Leben der jüngeren Generation. Neben Instagram, Twitter und TikTok laden sich viele Menschen auch eine Dating-App herunter. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Einsamkeit und Langeweile zählen zurzeit zu den Hauptfaktoren. Nach dem ,,Match’’ und dem Kontaktaustausch sind viele auf ein Treffen mit dem Date gespannt. Es ist nicht verboten, sich mit einer weiteren Person außerhalb des eigenen Haushalts zu treffen. Rebekka sagt: ,,Mein zweites Date hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, das Date in den Park zu verlegen. Ich habe kein Problem, mich während Corona mit meinen Dates zu treffen, aber vorgeschlagen hätte ich es nicht.’’

Selbst die Dating-App weist ihre Nutzer darauf hin, dass sie sich nur online austauschen sollen. Falls ein Treffen unbedingt sein muss, sollten die Hygienevorschriften und Abstandsregeln eingehalten werden. Nach den Angaben des WDR halten sich die meisten an die Aufforderung. Die Anzahl der Chats sei um 33 Prozent gestiegen und die Dauer der Gespräche habe sich um 17 Prozent

verlängert. Innerhalb eines Tages, dem 29. März, eine Woche nach Inkrafttreten
der Kontaktbeschränkungen, wurden drei Milliarden Swipes registriert. Jedoch
betont Rebekka: ,,Ich bin nicht auf Tinder, um so viele Dates wie möglich zu
haben. Sondern um mich mit interessanten Menschen auszutauschen und vielleicht
ist da der Richtige dabei.’’

Die Gespräche und Treffen haben einen positiven Eindruck hinterlassen, meint sie. ,,Die Menschen, mit denen ich mich ausgetauscht habe, haben meine Corona-Zeit abwechslungsreicher gestaltet.’’Aber eines ist klar: In Österreich wird sie vorerst keine Dates mehr haben. ,,Ich habe im Februar mit meinem damaligen Freund Schluss gemacht und brauche deswegen dringend Abwechslung. Da ich aber noch mit meinem Ex-Freund zusammenwohne, konnte ich schlecht jemanden mit nach Hausebringen.’’

Charly Wulff, die 23-Jährige Fotografin aus Köln, meldet sich wegen der Homeoffice-Langeweile bei Tinder an. Am nächsten Tag matched sie mit Philip, 25 Jahre, aus Ehrenfeld. Ihr Herz pocht vor dem ersten Facetime-Date. Die Gedanken schießen ihr durch den Kopf. Was passiert, wenn sie beide keinen Gesprächsstoff mehr haben? Die Notlüge, sie hätte noch einen Termin, kann sie während Corona nicht benutzen. Sie hat das Online-Dating unterschätzt. Doch das Date verläuft harmonisch. Von Anfang an ist ihr klar, dass es der sicherste Weg ist, sich durch Videochats und Telefonate näher zu kommen. Das kann die Dates viel intensiver machen: ,,Da wir in den zwei Monaten nur über Videochats Kontakt hatten, kann ich ihn viel besser einschätzen’’, sagt Charly.

Die Telefonate mit Philip werden Teil ihres Alltagslebens. Sie telefonieren jeden Tag mindestens einmal oder haben einen Facetime-Call. Sie ist erleichtert, als er ein Treffen zusagt: ,,Da hat sich das Warten wirklich gelohnt. Wir haben uns gleich geküsst, als wäre das ganz normal beim ersten Treffen.’’ Inzwischen ist sie mit Philip zusammen und bei ihrem Ex-Freund ausgezogen. Auf die Frage, ob sich die Dating Szene nach Corona ändern wird, sagt sie: ,,Menschen sind Gewohnheitstiere. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es auch nach Corona vermehrt Online-Dates geben wird.’’ Beide Frauen stellen fest, dass Corona auch eine gute Seite hat. Corona kann verbinden und es ist möglich, jemanden kennenzulernen, auch mit dem nötigen Mindestabstand.