Lichtschutzfaktor Netflix

von Mariella Liguori

Mit Freunden in den Club? Geht nicht! Kino? Geht nicht! Was bleibt: Netflix und Co. – wie die Streaming-Giganten von der Corona-Krise profitieren.

Mach doch mal die Glotze aus!“ Diesen Spruch kennt wahrscheinlich jeder von Zuhause. Jetzt sind die meisten Eltern eher still, denn eine Alternative zum Fernseher gibt es kaum. Die Corona-Pandemie hat die gesamte Welt still gelegt. Viele Menschen bleiben daheim und arbeiten von dort aus, fast alle öffentlichen Einrichtungen wie Restaurants, Clubs oder Geschäfte geschlossen werden mussten, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen.

Nun fragt sich jeder, wie er sich die Zeit Zuhause am besten vertreibt. Medienforschern fällt im Frühjahr 2020 besonders eine Sache ins Auge. Laut einer Analyse im April ist die Fernsehzeit in den meisten Haushalten um einiges gestiegen. Im März schon über zehn Prozent gegenüber den Durchschnittswerten.
Speziell Streaming-Portale wie Netflix, Amazon Prime oder Disney+ profitieren davon und kommen eindeutig als Gewinner aus der Krise. 15,7 Millionen Menschen haben sich in den ersten drei Monaten des Jahres bei Netflix ein Abonnement gebucht. Damit wurden alle Erwartungen von Analysten und der Börse übertroffen.

Der große Zuwachs an Streaming-Kunden ist auch auf den Wandel des TV-Programms zurückzuführen. Tagsüber sieht man hier vorwiegend Doku-Soaps, Gewinnspiele oder Mittags-Magazine, die immer wieder den gleichen Inhalt bringen.
Wer darauf keine Lust hat, zieht ein Streaming-Abo in Betracht. Hier kann man sich gegen einen Monatsbeitrag aussuchen, wann und was man schauen möchte, ohne Werbeunterbrechungen.

Für Studenten sind solche Streaming-Dienste lange kein Neuland mehr, schon gar nicht in den USA. Hier hat eine Befragung ergeben, dass 90 Prozent der US-Studenten Zugriff auf ein Netflix Konto haben. Als hätte das Portal gewusst, dass es sich im Frühjahr 2020 lohnen würde, eine Reihe an Neuerscheinungen herauszubringen, startete eine neue Serie oder Staffel nach der anderen. Ob Fortsetzungen, wie von der Erfolgsserie „Elite“, die im Vorjahr schon mit einer Zuschaueranzahl von mehr als 20 Millionen ihren Erfolg feierte oder ganz neue Highlights. 

Am 20. März erschien unter anderem die Doku-Reihe „Tiger King“. Sie handelt von einem verrückten Züchter, der Tiger im eigenen Garten hält und schließlich im Gefängnis landet. Die Dokumentation kam allein auf 64 Millionen Zuschauer und hat damit ebenfalls alle Erwartungen übertroffen. Doch nicht alle können den Hype verstehen. „Ich habe es direkt wieder ausgeschaltet. Richtiger Ami-Quatsch. Aber jetzt in der Quarantäne, guckt man

gefühlt sowieso alles“, sagt Benita. Sie ist 18 Jahre alt und hat dieses Jahr ihr Abitur unter Corona-Bedingungen gemacht. Mit der Langeweile sinken bei manch einem die Ansprüche an Filme und Serien. Maurizio, ein 17-Jähriger Schüler, erzählt: ,,Mittlerweile habe ich fast alle großen Serien gesehen. Seit die Schule geschlossen hat, habe ich nicht mehr so viel zu tun. Ich schaue jetzt schon Trash-Serien, die ich normalerweise nie angefangen hätte. Hauptsache, man wird unterhalten.“ 

Hannah, eine 19-Jährige Studentin aus Offenbach, schildert: „Das Studium an sich macht mir schon zu schaffen. Es ist anstrengend und die Corona-Krise macht es nicht besser.“ Vielen Studierenden geht es wie Hannah. Am Wochenende ausgehen war die Belohnung für das Lernen unter der Woche. Doch das ist momentan kaum möglich. „Die Situation auf der ganzen Welt ist schon irgendwie deprimierend“, sagt die Studentin. Fernsehen ist für sie wie für viele andere die beste Ablenkung. 

„Ich vermisse es, mehr zu unternehmen. Auch wenn viele Sachen wieder geöffnet haben, ist es nicht dasselbe mit der Maske und den Abstandsregeln“, erzählt Lukas. Er ist 22 Jahre alt und ein großer Kinofan. „Ja, Zuhause Filme und Serien zu streamen ist entspannt, aber mir fehlen das Kino-Feeling und die Leinwand.“

So wie Lukas geht es vielen Kinofans. Kinobetreiber leiden noch härter, nämlich finanziell. Dmitry Roschan, Personalleiter des Cinemaxx Offenbach sagt: „Es gab Verluste in Millionen Höhe. Kosten für die Miete und ähnliches sind ja weiter gelaufen, obwohl wir keine Einnahmen hatten.“

Es kursieren Gerüchte, dass die Corona-Pandemie auch auf Netflix negative Auswirkungen hatte. Im Internet liest man, dass die Dreharbeiten einiger Produktionen aufgrund des Lockdown, eingestellt werden mussten. Doch Ted Sarandos, bei Netflix für die Inhalte zuständig, beruhigt in einem Gespräch mit Journalisten. Für dieses Jahr wären schon alle Inhalte so gut wie im Kasten. 

Man kann jedenfalls bezweifeln, ob es im laufenden Quartal weiterhin so gut für die Streaming-Portale laufen wird. Je länger die Corona-Pandemie anhält, umso mehr Menschen werden ihren Job verlieren und damit weniger Geld im Monat zur Verfügung haben. Früher oder später macht sich das bei den Abonnentenzahlen bemerkbar. Es bleibt eine spannende Zeit und die weiteren Auswirkungen sind in allen Bereichen schwer vorherzusehen. Es heißt wohl weiterhin abwarten. Viel Spaß beim nächsten Serien Marathon –Lichtschutzfaktor inklusive!