von Flora Völcker
Kein Job mehr – was jetzt? Die Corona Pandemie hat die Wirtschaft fast zum Erliegen gebracht. Studierende, die sich mit Nebenjobs ihren Lebensunterhalt und ihr Studium finanzieren müssen, trifft es besonders hart. Nun heißt es zurück zu Mutti ziehen oder doch lieber schwarzarbeiten?
Mit Schwung holt er eine Handvoll Kleingeld aus der Hosentasche und schleudert es auf das Ablageschälchen der Supermarktkasse, dass es nur so klimpert. Fahrig sucht er die richtigen Münzen zusammen, während die Kassiererin ungeduldig mit den Fingern auf der Kasse trommelt. Seit Jari seinen Nebenjob wegen Corona verloren hat, muss er jeden Cent zweimal umdrehen. Den wöchentlichen Einkauf bei Lidl bezahlt ihm seitdem seine Mutter. „Ich würde gerne wieder bessere Lebensmittel einkaufen, die nicht so billig sind“, sagt er, während er eine Packung Spaghetti und eine Dose Pesto rasch in seinen ausgeleierten Rucksack befördert. Frische Bio-Lebensmittel sind keine Option mehr für den 22-jährigen Studenten, seit er offiziell arbeitslos ist. Jari hat sich früher als Komparse seinen Lebensunterhalt und sein Studium finanziert. Jetzt lebt er von dem Geld seiner Mutter und den wenigen Ersparnissen, die noch übrig sind. Ohne den Notfonds, den er vom Studentenwerk beantragt hat, hätte er selbst die Miete für seine Ein-Zimmer Wohnung nicht mehr stemmen können.
Viele Studierende teilen Jaris Schicksal. Seit das Coronavirus Ende März die Wirtschaft stillgelegt hat, fürchten viele um ihre Lebensgrundlage. Sie arbeiten oft in der Gastronomie, im Tourismus oder auf Messen. Gerade diese Bereiche sind besonders betroffen. Wer nicht direkt entlassen wird, muss in Kurzarbeit gehen oder sich nach Alternativen umsehen. Ein guter Finanzplan ist in solch schwierigen Zeiten entscheidend. Doch nicht für Jari: „Ich pokere darauf, dass die Dreharbeiten diesen Monat wieder aufgenommen werden.“ Andernfalls hätte er ein ernsthaftes finanzielles Problem. Da die zusätzlichen Stellen in Drogerien und Supermarktketten begehrte Verdienstmöglichkeiten für junge Menschen sind, ist die Konkurrenz groß.
„Die neu eingestellten Mitarbeiter sind fast alle in meinem Alter,“ nuschelt die Studentin Victoria bestätigend in ihren Mundschutz, während sie eine Flasche Desinfektionsmittel abkassiert. Rund 60 Stunden pro Monat arbeitet sie neben ihrem Studium in einer Drogerie, um sich ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Abgesehen von den neuen Hygienevorschriften hat sich nicht viel verändert: „Anfangs haben wir
Frischhaltefolie verwendet, statt den Plexiglasscheiben, die wir jetzt an der Kasse haben. Das ist Premium.“ Zusätzlich hat sie einen inoffiziellen „Corona-Bonus“ bekommen. „170 Euro, das war nicht wenig. Obwohl ich keine finanziellen Probleme hatte, weil ich regulär weiter arbeiten konnte, war das sehr schön!“ verrät sie augenzwinkernd.
Wer keinen systemrelevanten Job hat oder nicht ausreichend von seinen Eltern unterstützt wird, muss zwangsweise auf Alternativen zurückgreifen. Um weiterhin die Studiengebühren bezahlen zu können, arbeitet Niklas schwarz. Seinen saisonalen Job im Filmpark Babelsberg konnte er nicht antreten. Jetzt hält er sich mit Gelegenheitsjobs als Möbelpacker über Wasser. Trotzdem beschränkt der 19-jährige seine Ausgaben auf ein Minimum, um einem finanziellen Engpass vorzubeugen. Miete zahlt Niklas nicht, da er noch bei seinen Eltern lebt. „Durch den Lockdown konnte man kaum etwas machen“, erzählt er trocken. „Jetzt verdiene ich weniger, gebe aber auch weniger aus. So was wie Klamottenbestellen mag ich eh nicht so gerne.“ Doch weil er sich für eine private Hochschule entschieden hat, kommen auf ihn jedes Semester hohe Studiengebühren zu. Wenn dann das Geld knapp ist, steigt der 19-jährige lieber von Bar-Abenden auf die Playstation um. Für ihn und viele andere ist es eine kostenlose, alternative Freizeitaktivität – virenfrei von zu Hause aus. Seinen geplanten Auszug in eine Berliner WG hat er vorerst auf Eis gelegt. Resigniert zuckt er mit den Schultern: “Ohne Job kann sich das in Berlin bei den Mieten keiner leisten.” Die Lebenshaltungskosten sind für Geringverdiener schwer aufzubringen. Er überlegt sich ernsthaft, ob und wann er das Nest verlässt.
Wie es in den nächsten Monaten für die Studierenden weitergeht, ist unklar. Mit fast drei Millionen Arbeitslosen und rund zehn Millionen Menschen in Kurzarbeit bleibt die Situation in ganz Deutschland angespannt. Die Gastronomie öffnet zwar nach und nach wieder Tür und Tor, aber die Kapazitäten sind deutlich geringer. Großveranstaltungen und Messen sind nach wie vor nicht erlaubt. Ein sinnvolle Planung vorhandener Mittel, Disziplin und besonders kostengünstige Ernährung – wie Nudeln mit Ketchup – bringen Studierende durch eine globale Pandemie.