Mediengesetz setzt russische Journalist*innen weiter unter Druck
Das seit MĂ€rz geltende Mediengesetz in Russland erschwert die freie Arbeit fĂŒr Journalist*innen. Zahlreiche unabhĂ€ngige Medien haben ihre Arbeit bereits eingestellt. Kritische Angebote, darunter auch die Berichterstattung der Deutschen Wellen, haben von den russischen Behörden ein Sendeverbot erhalten. Was bedeutet das neue Mediengesetz fĂŒr die journalistische Arbeit vor Ort?
Die Fakten
In Russland gilt seit dem 4. MĂ€rz 2022 ein neues Fake-News-Gesetz, das es Medien verbieten soll, angebliche Falschinformation ĂŒber das russische MilitĂ€r zu verbreiten. Wladimir Putin hatte dieses Gesetz unterschrieben und es damit noch am selben Tag in Kraft gesetzt. Den Medien in Russland ist es damit untersagt, in der Berichterstattung ĂŒber den Krieg gegen die Ukraine Begriffe wie âAngriffâ, âInvasionâ und âKriegserklĂ€rungâ zu verwenden. Die russische Regierung bezeichnet den Angriffskrieg stattdessen offiziell als „militĂ€rische Sonderoperation“.
Welche Strafen können drohen?
FĂŒr die Verbreitung angeblich falscher beziehungsweise kritischer Informationen ĂŒber den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine drohen Geldstrafen und bis zu 15 Jahre Haft. Darunter zĂ€hlen unter anderem vermeintliche Falschinformationen ĂŒber das russische MilitĂ€r, das Diskreditieren russischer StreitkrĂ€fte sowie jegliche Aufrufe zu Sanktionen gegen Russland. Unter Strafe stehen dabei nicht nur russische und auslĂ€ndische Medien, sondern auch Privatpersonen, die öffentlich die Armee „verunglimpfen“.
Einer der bisher bekanntesten Proteste gegen den russischen Angriffskrieg ist der TV-Auftritt einer Mitarbeiterin des Senders Perwy kanal (Erster Kanal) â Marina Owsjannikowa. Sie protestiert gegen das Vorgehen Russlands, indem sie in der Hauptnachrichtensendung des russischen Staatsfernsehens ein Schild mit der Aufschrift âStoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen.â in die Höhe hĂ€lt. Bevor der Sender wenige Sekunden spĂ€ter die Live-Sendung unterbricht, ruft sie mehrmals âNein zum Krieg!â. Im Anschluss wird Marina Owsjannikowa festgenommen. FĂŒr ein zuvor auf Twitter veröffentlichten Videos wird sie zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel (derzeit rund 489 Euro) verurteilt. Im Gerichtssaal sagte sie nach Angabe der Nachrichtenagentur AFP: âIch erkenne meine Schuld nicht an. Ich bin ĂŒberzeugt, dass Russland ein Verbrechen begeht.â Russland sei âder Aggressor in der Ukraineâ. Ob sich die Russin einem weiteren Verfahren wegen ihres TV-Auftritts stellen muss, ist noch nicht bekannt.
Welche Auswirkungen hat das Gesetz auf russische Medien?
In Russland ist durch das neue Mediengesetz eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ukrainekrieg kaum noch möglich. Die Regierung versucht die Berichterstattung durch staatliche Quellen zu lenken. Zahlreiche Medien haben ihre Arbeit daraufhin ausgesetzt oder wurden von Seiten der russischen Regierung verboten. Darunter zum Beispiel das unabhĂ€ngige Nachrichtenportal Znak. Es gehört zu den gröĂten unabhĂ€ngigen Nachrichtenangeboten auĂerhalb von Russland und St. Petersburg und hat seine Arbeit auf Grund der massiven EinschrĂ€nkungen eingestellt. Der unabhĂ€ngige Fernsehsender Doschd wurde verboten und auch Onlineangebote westlicher Medien wie der Deutschen Welle, Voice of America oder Radio Free Europe sind in Russland nicht mehr abrufbar.
Wie gehen deutsche Medien mit dem russischen Mediengesetz um?
Auf Grund der verĂ€nderten Gesetzeslage hatten die beiden Sender ARD und ZDF sowie der britische Sender BBC die Berichterstattung aus Russland zweitweise ausgesetzt. Nach der VerschĂ€rfung der Mediengesetze musste zunĂ€chst geklĂ€rt werden, ob aus den Moskauer Studios eine Berichterstattung ohne Gefahr fĂŒr die Mitarbeiter*innen möglich ist.
âARD und ZDF prĂŒfen die Folgen des am Freitag verabschiedeten Gesetzes und setzen die Berichterstattung aus ihren Moskauer Studios erst einmal aus.â
WDR
So hieĂ es in der Stellungnahme des WDR. Grund seien vor allem die allgemein gehaltenen AusfĂŒhrungen im russischen Mediengesetz. âDie Art und Weise, wie sie formuliert sind, die sehr viele unbestimmte Begriffe enthĂ€lt, muss aber dazu fĂŒhren, dass man hier sehr sensibel und sehr problembewusst mit dieser Situation umgehtâ, sagt ein Sprecher des AuswĂ€rtigen Amtes.
Die Arbeit fĂŒr Korrespondent*innen vor Ort
Interview mit der ARD-Studioleiterin in Moskau
Das im MĂ€rz in Russland in Kraft getretene Mediengesetz, auch Fake-News-Gesetz genannt, erschwert die Arbeit von russischen Journalist*innen vor Ort erheblich. Viele Sender haben ihre Arbeit bereits eingestellt. Darunter zum Beispiel der Kreml-kritische Sender Doschd TV. Doch auch die Arbeit fĂŒr deutsche Medienschaffende wird schwieriger. Zeitweise haben ARD und ZDF ihre Berichterstattung auf Grund des Mediengesetzes unterbrochen. In einem Interview erzĂ€hlt die ARD-Studioleiterin in Moskau, Christina Nagel, von der Situation im Land und die entsprechende Berichterstattung.
Die russischen VerschĂ€rfungen fĂŒhren nicht nur bei den Medienunternehmen zu Kritik, sondern auch bei der Bundesregierung und JournalistenverbĂ€nden. So sprach das AuswĂ€rtige Amt in Berlin von einem âgravierenden VerstoĂ gegen die Presse- und Meinungsfreiheitâ und auch der DJV-Vorsitzende Frank Ăberall findet deutliche Worte: âDass die Deutsche Welle in Russland nicht mehr frei empfangen werden kann, es gibt Umwege, dass ist letzten Endes der Tod der Pressefreiheit. Denn wir brauchen unabhĂ€ngige Medien, die uns journalistisch informieren und je mehr Vielfalt wir haben, umso besser.â Die Deutsche Welle, die von einem Sendestopp in Russland betroffen ist, veröffentlicht zudem auf ihrer Webseite BeitrĂ€ge, wie Sperren der russischen Regierung umgeht werden können. Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, fordert russische Nutzer*innen dazu auf, Umgehungs-Methoden wie eine VPN-Software zu verwenden.
âSolange es Internet gibt, können sie [auf Informationen zugreifen].“
Peter Limbourg
Sendestopp fĂŒr die Deutsche Welle
Russische Behörden stufen DW als „auslĂ€ndischen Agenten“ ein
Die Deutsche Welle ist der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland. Seit Februar ist die DW allerdings vom einen Sendeverbot betroffen. Die russischen Behörden haben das DW-Studio in Moskau geschlossen und den Mitarbeiter*innen die Presseausweise entzogen.
Können sich russische BĂŒrger*innen noch unabhĂ€ngig informieren?
FĂŒr die russischen BĂŒrger*innen ist es zwar nicht unmöglich, aber deutlich schwieriger geworden, sich unabhĂ€ngig zu informieren. Viele regierungskritische Sender oder Zeitungen haben ihre Arbeit unterbrochen. Hinzukommt, dass die russischen Behörden Online-Netzwerke wie Facebook und Twitter gesperrt haben. Vor allem die Online-Netzwerke hatten bis dahin vielen Menschen ermöglicht, sich abseits der staatlichen Medien ĂŒber den Krieg zu informieren. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor gab an, dass der Zugang auf Grund eines Antrags der russischen Generalstaatsanwaltschaft Ende Februar eingeschrĂ€nkt wurde. Facebook habe nach Angaben von Roskomnadsor die russischen Medien angeblich diskriminiert. Der VizeprĂ€sident des Konzerns Meta, Nick Clegg, kritisierte die Sperrung des Netzwerkes: âBald werden Millionen von einfachen Russen von verlĂ€sslichen Informationen abgeschnitten sein und zum Schweigen gebracht werden.â
Wie geht es weiter?
Seit Inkrafttreten des russischen Mediengesetzes ist von der Pressefreiheit im Land nicht mehr viel ĂŒbrig. Dabei zielt das Gesetz nicht nur auf Medien ab, sondern auch auf Privatpersonen, die sich vor Gericht verantworten mĂŒssen. Neben dem neuen Fake-News-Gesetz hat Russland in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Gesetzen verabschiedet, die die Pressefreiheit im Land eingeschrĂ€nkt haben. Darunter das 2017 verabschiedete Gesetz gegen auslĂ€ndische Medien. Dieses zwingt auslĂ€ndische Medien zur Registrierung und ermöglicht es, die aus dem Ausland finanzierten Medien als âauslĂ€ndische Agentenâ einzustufen.
Aktuell bringt die russische Duma, neben dem Föderationsrat das höchste gesetzgebende Organ Russlands, noch ein weiteres Mediengesetz auf den Weg. Im Mai verabschiedete das Unterhaus in erster Lesung einen entsprechenden Gesetzentwurf. Dieser besagt, dass auslĂ€ndische Medien durch die Staatsanwaltschaft geschlossen werden können, wenn sie sich âunfreundlichâ gegenĂŒber russischen Medien verhalten. Zudem soll es möglich sein, das Verbreiten von Artikeln zu verbieten und Auslandskorrespondent*innen die Akkreditierung zu entziehen.