„Das ist doch Trivial-Kommunikation!“ So lautete ein Vorwurf, den sich die WDR-Medienmarke Quarks anhören musste, als sie 2018 ihr Angebot auf Social-Media-Kanäle ausgeweitet hat. Seit 1993 erklärt Quarks wissenschaftliche Themen verständlich für jeden. Im Internet hat das eine neue Dimension erreicht – noch kürzer, noch schneller, noch einfacher zu begreifen. Doch ab wann beginnt Trivial-Kommunikation und was ist noch qualitativ hochwertiger Wissenschaftsjournalismus? Jonathan Focke, Leiter der Digitalredaktion bei Quarks, gibt Antworten.
Herr Focke, Quarks wurde mitunter ein eigensinniges Wissenschaftsverständnis vorgeworfen. Was ist denn das Wissenschaftsverständnis von Quarks?
Ja, wo fängt man da an? Am besten bei der Erkenntnistheorie und der Wissenschaftsphilosophie. Wir bei Quarks haben aber kein eigenes Wissenschaftsverständnis. Was wir machen, ist ganz klassischer, kritischer Journalismus, der davon ausgeht, dass es eine beobachtbare Realität gibt und dass wissenschaftliche Methoden die systematischste uns zur Verfügung stehende Methodik der Erkenntnis sind. Darum ist es auch so wichtig, dass man sich in einer Gesellschaft, in der man sich auf rationale Entscheidungen verlässt, an wissenschaftliche Methoden hält.
Wenn Sie einen Aspekt nennen müssten, der Quarks ausmacht, welcher wäre das?
Quarks soll Orientierung geben in einer komplexen Welt: Von ganz einfachen Alltagsfragen bis hin zu großen komplexen gesellschaftlichen Problemen wie Klimawandel, Corona-Pandemie, Energieversorgung oder Gesundheitsversorgung. Und der Kern unseres öffentlich-rechtlichen Auftrags ist es, in diesen Themen wissenschaftliche Orientierung zu geben, an ihnen zu arbeiten und sie nach vorne zu bringen. Und das bedeutet auch, in gewissen Themen sehr klar zu sein. Wenn zum Beispiel wissenschaftlich-systematisch eins-a geklärt ist, dass Homöopathie nicht wirksam ist, stellen wir das entsprechend auch dar. Auch wenn Leute das vielleicht nicht gut finden.
Wo liegen die Unterschiede zwischen einer normalen News-Redaktion und einer Wissenschaftsredaktion?
Ich weiĂź gar nicht, ob da die Unterschiede so groĂź sind. Zum einen ist das die wissenschaftliche Fachexpertise in bestimmten Themenbereichen. Es gibt auch sehr viele Wissenschaftler, die bei uns arbeiten oder eben Menschen, die ein wissenschaftliches Studium haben und in bestimmten Gebieten sehr versiert sind. DarĂĽber hinaus gibt es eine hohe Expertise im Umgang zum Beispiel mit wissenschaftlichen Studien oder in der Expertensuche. Das sind Spezialisierungen, die es so in einer normalen News-Redaktion nicht gibt.
Nun gilt es, dieses Wissen auch verständlich rüberzubringen, also Komplexität zu reduzieren. Das ist grundsätzlich eine große Herausforderung für den Journalismus und im Wissenschaftsjournalismus ist es noch schwieriger. Und es gilt umso mehr, wenn man wissenschaftliche Themen in kurzen Instagram-Posts vermitteln will.
Das stimmt. Wir haben teilweise Videos von 30 Sekunden Länge oder auch Posts mit kurzen Infotafeln. Und die Komplexitätsreduktion funktioniert nur, indem die Recherche sehr aufwändig und sehr präzise ist. Um ein kurzes Video oder eine Infotafel zu machen, muss man viel wissen und jedes Wort muss sitzen.
Dafür hat Ihre Redaktion das Champignon-Prinzip entwickelt. Der Champignon ist die Erkenntnis oder die Essenz einer wissenschaftlichen Studie und sein Wurzelwerk die aufwändige Recherche.
Das funktioniert so, dass wir mit der Frage beginnen, die wir beantworten möchten. Es gibt meist ein Oberthema, zum Beispiel Lebensmittelverschwendung. Das ist erstmal sehr abstrakt und wir überlegen uns, wie wir das den Leuten anschaulich vermitteln können. Wir haben uns dann einen Aspekt des Themas rausgesucht, und zwar wie das beim Fleischkonsum aussieht. Also, wie viel Fleisch eigentlich verschwendet wird und das können wir vielleicht damit anschaulich machen, dass wir mal umrechnen, wie viele Tiere eigentlich umsonst geschlachtet werden. Danach geht es darum, die entsprechenden Studien zu finden und daraus die wesentlichen Infos zur Beantwortung der Frage zu ziehen. Ich weiß also, dass am Ende dieser Champignon da sein muss. Ich fange deshalb nicht an, wie wild draufloszurecherchieren, sondern überlege, wie ich das so anschaulich wie möglich machen kann. Das heißt, bei uns steht nicht die wissenschaftliche Studie am Anfang, sondern eine Frage.
Hört die Arbeit hier dann auf?
Alle Informationen werden nachgehalten – welche Studien das waren, wo die Infos stehen und wie wir die Studien bewerten. Das wird alles in einem Community-Papier festgehalten. Das bekommen dann die Community-Manager, damit sie auf Detail-Fragen eingehen können. Nur so funktioniert auch die Komplexitätsreduktion für so kurze Inhalte: Durch eine sehr präzise Recherche und die Vorbereitung des Community-Papiers.
Quarks verfolgt vor allem mit dem digitalen Angebot einen neuen Ansatz von Wissenschaftsjournalismus. Wo wĂĽrden Sie Quarks in der Landschaft des Wissenschaftsjournalismus in Deutschland einordnen?
Ich glaube, Quarks unterscheidet sich von vielen anderen wissenschaftsjournalistischen Angeboten dadurch, dass es nicht wissenschaftsgetrieben vorgeht. Unsere Themenwahl bezieht sich sehr stark auf aktuelle oder latent aktuelle Debatten und Diskurse in der Gesellschaft und Themen, die ohnehin auf der Agenda stehen. Das heißt, der Anlass für unsere Berichterstattung kommt vielmehr aus diesem gesellschaftlichen Diskurs und dem alltäglichen Leben der Menschen.
Wie viel Service steckt damit im Wissenschaftsjournalismus?
Natürlich liegt unser Fokus nicht auf den Service-Themen. Wir unterscheiden nicht so sehr zwischen Service- und Wissenschaftsjournalismus, sondern wir verfolgen unseren Ansatz. Ich glaube aber, dass die Grenzen da in einigen Bereichen verschwimmen. Wir kommen über das Versprechen der Marke Quarks und das ist: Einordnung und Orientierung zu geben auf der Basis von wissenschaftlichen Fakten. Das ist unser Versprechen und das können wir auf einem sehr breiten Spektrum an Möglichkeiten einhalten. Das geht von einfachen Service-Themen bis hin zu sehr komplexen Fragestellungen, die vielleicht nicht direkt für den Alltag der Menschen Konsequenzen haben – von zum Beispiel „Wo soll ich Erdbeeren kaufen?“ bis hin zu „Wie soll es weitergehen mit der Energieversorgung?“.
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