Klimajournalismus – Wie er war, wie er ist und wie er werden muss

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Der Kölner Dom unter Wasser. Schon 1986 titelt der Spiegel mit dieser Fotomontage, um so auf einen stetig steigenden Meeresspiegel in Folge der Klimaerwärmung aufmerksam zu machen. Das Problem ist seitdem nicht kleiner geworden, ganz im Gegenteil. Eigentlich müsste der kritische Journalismus daher auch kontinuierlich über Erderwärmung, CO2-Ausstoß und Klimabilanzen berichten. Doch dem ist nicht so. Ein Rückblick auf den Klimajournalismus der letzten Jahre und ein Ausblick darauf, was noch passieren muss.

Das Dom-Titelbild des Spiegel wird 2022 neu aufgelegt.

Eine erste unbequeme Wahrheit

2006 kommt es zur ersten medialen Aufmerksamkeitswelle. Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore lenkt durch seinen Dokumentarfilm „An Inconvenient Truth“ den Blick der Welt auf das Thema Klimawandel. Der Film macht die drohende Katastrophe mit eindrucksvollen Bildern emotional greifbar. Hierfür wird Al Gore sowie dem Klimarat im darauffolgenden Jahr auch der Friedensnobelpreis verliehen. Das Thema kommt auf die mediale Agenda. Tageszeitungen und Magazine berichteten, im Fernsehen kursieren Bilder von abgemagerten Eisbären, die sich auf der Suche nach Nahrung durch eisfreie Landschaften schleppen.

Die UN-Klimagipfel

Das mediale und öffentliche Augenmerk erreicht seinen bisherigen Höhepunkt dann im Jahr 2009. Der Grund ist die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Die ganze Welt blickt in die dänische Hauptstadt und hofft auf einen verbindlichen Klimavertrag der Vereinten Nationen. Doch die über tausend Journalist:innen kehren mit wenig Handfestem aus Kopenhagen zurück, denn die Konferenz endet ohne konkrete Beschlüsse. Erst 2015 sollen die dann in konkreter Form in Paris zustande kommen. Zu den jährlichen UN-Klimagipfeln wird zwar in Tageszeitungen berichtet und vereinzelt ordnen Dokumentarfilme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Hintergründe ein. Eine wirklich kontinuierliche Berichterstattung, die das öffentliche Bewusstsein für die Gefahren des Klimawandels schärft, bleibt jedoch jahrelang aus.

Dürre, Greta und ein Klimaschutzpaket

Zu einer Rückkehr des Themas Klima ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit kommt es dann erst durch die heftige Dürreperiode im Sommer 2018. Waldbrände und Ernteausfällen dominieren die Nachrichten. Die Flussschiffahrt muss auf Grund der niedrigen Wasserstände teilweise eingestellt werden und manche Kraftwerke gehen zeitweise vom Netz, da die Wassertemperaturen in vielen Flüssen zu hoch ist, um damit kühlen zu können. Der Begriff „Heißzeit“ wird in diesem Jahr zum deutschen Wort des Jahres gewählt. Für viele Deutsche werden die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels nun auch am eigenen Leib spürbar und auch die Medienlandschaft spiegelt dies wider.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg gibt im selben Jahr FridaysForFuture und der gesamten Klimaschutzbewegung ein prominentes Gesicht, das für viel medialen Wirbel sorgt.

Die Politik reagiert und im Spätsommer 2019 verabschiedet die Große Koalition ihr Klimaschutzpaket. Die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit ist so groß wie nie. Und nicht nur die reine Menge an Berichterstattung zum Thema Klima ist gestiegen, auch wie tiefgehend sich die Bevölkerung damit beschäftigt, hat sich gewandelt. Während des UN-Klimagipfels 2015 gaben nur 25 Prozent der Bevölkerung an sich auch innerhalb der Familie über das Thema Klima auszutauschen. Während des Gipfels im Jahr 2019 verdoppelte sich dieser Wert auf über 50 Prozent.

Die durchschnittliche Anzahl der Veröffentlichungen zum Thema Klima pro Jahr.

Was läuft schief und wie wird es besser?

Doch wieso tut sich der Klimajournalismus so schwer dauerhaft im Blick der Öffentlichkeit zu bleiben und was muss sich tun?

Der Journalismus ist ein Feld, das sich größtenteils mit dem Tagesgeschehen beschäftigt. Was ist heute aktuell und hat einen sofortigen Effekt auf die Lebensrealität der Konsument:innen? Hier werden aktuelle Ereignisse, oft Krisen, beleuchtet, die genau heute brisant sind. Gefahren, die sich langsam aber stetig aufbauen passen nicht in dieses Schema einer akuten Bedrohung.

Doch die Bedrohung durch den Klimawandel ist real und im wahrsten Sinne des Wortes von globalem Ausmaß. Um dies zu erkennen und dementsprechend in der Berichterstattung zu priorisieren, braucht es fundiertes Fachwissen in den Redaktionen. Doch gerade jetzt, wenn er so wichtig wäre, ist der Wissenschaftsjournalismus oftmals Sparmaßnahmen der finanziell kriselnden Medienbranche zum Opfer gefallen. Es muss also mehr Klima-Expertise in der Medienbranche geschaffen werden. Mehr Budget für den Wissenschaftsjournalismus sowie allgemeine Fortbildungen und Lehrgänge für Volontär:innen und Redaktionen wären ein Anfang. Eben diese neu geschaffene Expertise muss dann auch einen neuen Nachrichtenfaktor etablieren: Zukunftsrelevanz. Ein Journalismus, der dass sich zu großen Teilen mit dem Tagesgeschehen beschäftigt, hat die Frage nach dem, was in zehn Jahren sein wird, aktuell noch nicht im Blick.

Lösungsansätze statt Endzeitstimmung

Ein elementarer Teil erfolgreicher Klimaberichterstattung ist der konstruktive Journalismus. Die Medien dürfen nicht einfach nur vor der drohenden Katastrophe, so real diese auch ist, warnen. Sie müssen auch Lösungsansätze vermitteln. Konstruktiver Klimajournalismus zeigt auf, was besser gehen kann und wie das funktioniert.

Die Klimakrise kann den Einzelnen in ihrer Tragweite geradezu erschlagen. Wird immer nur Endzeitstimmung propagiert, stumpfen Leser-, Zuschauer- und Zuhörer:innen gegenüber der Thematik ab oder verschließen sich sogar ganz davor, das Thema Klima weiter wahrzunehmen. Wenn die Zukunftsrelevanz zum Nachrichtenfaktor werden soll, darf der journalistische Blick nicht mehr nur im klassischen Sinne auf die Vergangenheit und den Status quo gerichtet sein. Er muss sich auf die Zukunft fokussieren und dabei nicht nur beleuchten wogegen wir uns stemmen müssen, um die Krise abzuwenden, sondern auch verdeutlichen wofür es sich zu kämpfen lohnt: einen lebenswerten Planeten für uns und alle nachfolgenden Generationen.

Die wichtigste Frage unserer Zeit?
— Das sagt Köln zur Klimaberichterstattung

„Panikmache“, „Verharmlosung“ und „Klimaterrorismus“. Das sind alles Schlagworte, die einem um die Ohren fliegen, wenn man sich damit beschäftigt, wie die deutsche Medienlandschaft das Thema Klima in Szene setzt. Wir haben uns umgehört, was die Menschen von der Berichterstattung über Klimakatastrophen, -aktivist:innen und -lösungen halten. Was läuft gut, was schlecht und was muss sich dringend ändern?

Autor

  • Felix Früh

    Nach seinem Politikwissenschaftsstudium in Hamburg verschlug es Felix nach München, wo er als Redakteur an Dokumentarfilmen für das öffentlich-rechtliche Fernsehen mitwirkte.

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