Kann man da noch hingehen?
Nachhaltigkeit in Museen und Kulturbetrieben
Man könnte sagen, Kunst zu betrachten sei schlecht für die Umwelt: Weitläufige klimatisierte Museumssäle in alten Gebäuden, lange Reisen, große Auktionen, hoher Speditionsaufwand und erheblicher Energiebedarf. Diese Realität ist globaler Standard in Ausstellungen und Museen, Ateliers und Galerien.
Einer Studie des Networks of European Museum Organisations NEMO zufolge hat nur eine Minderheit von Museen die Umsetzung von Nachhaltigkeitspraktiken in langfristige Planungen aufgenommen. Im Gegensatz dazu betont jedoch die Hälfte der 578 untersuchten Museen, einen nachhaltigen Kulturbetrieb bereits jetzt zu unterstützen. In der Studie wird die Lücke zwischen Selbstwahrnehmung und der Praxis dieser Museen deutlich. In privat verwalteten Institutionen mag Greenwashing verzeihlich sein, doch Museen sind oft in öffentlicher Trägerschaft. Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber Bürgern sollte Vorrang gegenüber optimierter Selbstdarstellung haben. Wie also können Museen tatsächlich nachhaltiger werden? Die Lösungsansätze sind vielfältig.
Wie gelingt die Planung?
Damit Kulturbetrieb nachhaltiger werden kann, braucht es umsichtige Aktionspläne, das sagt der Deutsche Museumsbund. Dieser engagiert sich seit einigen Jahren für mehr Nachhaltigkeit und begleitet beratend Projekte in der ganzen Republik. Das sind nicht nur Museen, auch Theaterbühnen und Bibliotheken stehen auf der Agenda der Organisation. Doch wie sieht die Nachhaltigkeitsrechnung für einen Kulturbetrieb aus?
Der deutsche Museumsbund bilanziert Emissionen nach dem international anerkannten GHG (Green House Gas) -Protocol. Dieser Ansatz ist ganzheitlich, weil er nicht nur direkte Emissionen betrachtet, beispielsweise die einer Heizungsanlage. Auch indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie sowie Transport- und Abfallmanagement der Institution resultieren in Emissionen, welche in die Bilanz mit eingehen.
Die Konzentration auf das GHG-Protocol ist dabei gleichzeitig Vor- und Nachteil. Vorteil deshalb, weil sich übersichtlich einsehen lässt, wo Potentiale stecken. Das GHG-Protocol fördert auch indirekt die Nutzung umweltverträglicherer Rohstoffe, weil Rezyklierung ebenfalls schon mit einbezogen wird.
Insgesamt nachteilig kann der mathematische Charakter des Frameworks sein. Wer beispielsweise bei der Energieversorgung weiterhin auf fossile Energieträger setzt und an anderer Stelle ausgleicht, kann bilanziert genauso gut wegkommen wie ein wirklich nachhaltiger Betrieb.
Das Folkwang-Museum auf dem Weg zur Klimaneutralität
Das GHG-Protocol zeigt in der Analysephase Schwachpunkte der Kulturbetriebe auf. Die Erkenntnis, dass Emissionen direkt oder indirekt verursacht werden, ist dabei so individuell wie die Kulturbetriebe selbst. Das Essener Folkwang Museum ist eines der Pilotprojekte des Museumsbunds. Die ganzheitliche Analyse hat ergeben: Im Essener Museum sind direkt verursachte Emissionen aus fossilen Energieträgern für über 90 Prozent der Emissionen verantwortlich.
Das Essener Folkwang Museum besitzt eine besonders große Sammlung von Malereien und Skulpturen aus dem 19. Jahrhundert und der klassischen Moderne. Die Klimatisierung von Ausstellungsräumen ist besonders wichtig. Lufttemperatur und Feuchtigkeit sind oft abgestimmt auf den bestmöglichen Erhalt von Gemälden oder Analog-Fotografien. Diese notwendigen Anlagen verbrauchen jedoch auch viel Energie.
Eine Emissionsreduktion dieser Anlagen ist ein erster Schritt hin zu einem nachhaltigeren Ausstellungsbetrieb. Wie Emissionen reduziert werden können, ist oft ersichtlich: Der Wechsel der Energieträger kann ein erster wichtiger Schritt für das Museum sein. In der konkreten Planung kann das die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf der weitläufigen Dachfläche bedeuten. Die so erzeugte Energie kann zur Versorgung der Klimatechnik genutzt werden, insbesondere in den warmen Sommermonaten.
Doch nur Greenwashing?
Ökologische Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen unserer Zeit, die Auswirkungen des Klimawandels sind laut Wissenschaftlern schon jetzt bereits messbar. Eine große Aufgabe also, die von Unternehmen und Gesellschaft gemeistert werden muss. Da auch immer mehr Menschen Wert legen auf nachhaltige Produkte und Dienstleistungen, ist das Prädikat „Nachhaltig“ auch immer mehr zum Verkaufsargument geworden.
Das gilt ebenso für die Kulturbranche: Auch hier kann Nachhaltigkeit ein Selling-Point sein. Oft ist es schwer nachvollziehbar, wie sinnvoll Initiativen tatsächlich sind. Das Kölner Museum Ludwig wirbt ebenfalls mit dem Prädikat Nachhaltigkeit. Am konkretesten wird das Thema dort mit recycelten Hochbeeten aus anfallenden Transportkisten angesprochen. Damit denkt das Museum in die richtige Richtung, wird damit aber wohl nur einen geringen Effekt auf eine verbesserte Klimabilanz erreichen.
Degrowth: Wie weniger mehr sein kann
Degrowth ist ein alternativer Ansatz aus den Wirtschaftswissenschaften, der auch für die Kulturbranche relevant sein könnte. Statt eines quantitativen und messbaren Wachstums soll beim Prinzip Degrowth die Qualität verbessert werden. Unsere Gesellschaft setzt seit der Industrialisierung auf ein stetiges Wachstum, mehr von etwas sei immer auch besser. Die Wirtschaftsnobelpreisträger 2019 Abhijit Banerjee und Esther Duflo haben sich mit diesem Prinzip beschäftigt und stellen fest: „Wenn die Vorteile des Wachstums hauptsächlich von einer Elite vereinnahmt werden, […] kann dies zu einer sozialen Katastrophe führen.“
Diese Erkenntnisse lassen sich auch in die Kunstwelt übertragen, in der nur ein kleiner Teil der Elite für Großteile des Umsatzes mit Kunst verantwortlich ist. Dabei geht es nicht darum, auf etwas zu verzichten – im Gegenteil. Bestehendes soll verbessert und ausgebaut, und nicht einfach nur ersetzt und nach Bedarf ausgetauscht werden. Für eine Kunstwelt, die stetig wechselnde Ausstellungen und immer neue Werke gewohnt ist, würde dies ein Umdenken bedeutet. Dabei könnten auch die Werke wieder mehr in den Vordergrund treten und sich mit den Orten verbinden, an denen die Kunst platziert wird.
Um einen nachhaltigeren Museumsbetrieb zu ermöglichen, gibt es viele Ansätze: Die Substitution von Energieträgern durch umweltfreundlichere Alternativen und die Fortsetzung des bereits bestehenden Betriebs wird Kunstfreunden wohl am wenigsten Anpassungsfähigkeit abverlangen. Vielleicht sind aber gerade neue Ansätze, Kunst anders denken zu wollen, Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Kulturlandschaft.