Panik, Promis und Palaver:
Die Qualität ist tot, lang lebe der Boulevardjournalismus

Ein Kommentar

+++ EXKLUSIV +++ Angst und Bangen um den Qualitätsjournalismus +++ Klatschpresse tritt den Pressekodex mit Füßen +++ Experten fordern Ende des Yellow-Press-Spuks

So oder so ähnlich könnte die Überschrift und das Intro eines Artikels in den Boulevardmedien lauten. Wir sehen kaum konkrete Informationen, dafür Übertreibungen, Reizwörter und sprachliche Mittel wie Neologismen und Alliterationen. Das Ziel: Infotainment, also eine Mischung aus Information und Entertainment. Die Idee ist gut, die Boulevardmedien sind aber weit über dieses Ziel hinausgeschossen.

„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeitsarbeit sind die obersten Gebote der Presse.“ Wer diesen Ausschnitt des Pressekodex liest, denkt wahrscheinlich an vieles, aber nicht an Boulevardjournalismus. Wahrheit und Wahrung der Menschenwürde sind Fremdwörter für die im Volksmund liebevoll bezeichnete „Klatschpresse“. Und das waren sie auch schon immer. Der Boulevardjournalismus entstand in einer Zeit, in der Zeitungen noch auf dem Boulevard, also auf der Straße verkauft wurden. Um vorbeilaufende Menschen zum Kauf zu animieren, mussten die Verkäufer Aufmerksamkeit generieren. Das erfolgte nicht nur durch das laute Umherrufen der Nachricht des Tages, sondern auch durch reißerische Schlagzeilen auf dem Titelblatt. Damals wie heute ist die Aufmachung marktschreierisch, die Sprache einfach und auf Sensationalismus basierend. Die Lieblingsthemen: Verbrechen, Skandale, menschliche Tragödien und prominente Personen.

Beliebt, aber enorm problematisch

Und die Strategie funktioniert, denn die behandelten Themen sind nicht unbedingt bedeutsam, interessieren aber viele Menschen. Die Inhalte sind aufgrund ihrer vereinfachten Darstellung leicht konsumierbar, stammen meist aus dem unmittelbaren Alltagsleben des Publikums und bieten Möglichkeiten zur Anschlusskommunikation. Deshalb erfreut sich der Boulevardjournalismus schon immer großer Beliebtheit. Die BILD-Zeitung etwa ist die mit Abstand auflagenstärkste Zeitung Deutschlands. Im Jahr 2021 zählte sie rund 7,4 Millionen Leser:innen pro Ausgabe. Eines der erfolgreichsten Boulevardmagazine, das vorwiegend eine weibliche Zielgruppe hat, ist die Bild der Frau mit einer ebenfalls beachtlichen Leser:innen-Anzahl von 3,7 Millionen pro Ausgabe.

Dass die Inhalte aufgrund ihrer Niedrigschwelligkeit und ihres Unterhaltungsfaktors so beliebt sind, ist nichts Positives, sondern etwas enorm Problematisches: Für Außenstehende – also die Rezipient:innen – ist nicht unbedingt klar, dass sie nicht alle Inhalte für bare Münze nehmen können. Und das ist kein Wunder, schließlich ist in vielen Fällen nicht klar gekennzeichnet, dass die Haltung der Autor:innen in die Texte miteinfließt. Textsorten wie Berichte, Kommentare oder Glossen sind nicht klar gekennzeichnet, erst recht nicht inhaltlich klar voneinander getrennt. Und das ist enorm gefährlich, denn ein meinungsbetonter Text kann so wie ein neutraler Bericht wirken.

Die Verantwortung liegt NICHT bei den Leser:innen

So wird das Meinungsbild der Leserschaft ganz unterbewusst beeinflusst. Ohne, dass sie es merken, überträgt sich die Haltung des jeweiligen Mediums auf sie selbst. Natürlich kann man die Schuld an dieser Stelle auch den Leser:innen geben und von ihnen verlangen, dass sie sich immer ihre eigene Meinung bilden können und niemand sie zwingt, Haltungen der Redaktion von der BILD-Zeitung, der Bild der Frau oder der Gala zu übernehmen. Doch die Verantwortung liegt bei den Medien selbst. Den Pressekodex ignorieren und den eigenen Profit über die gesellschaftliche Funktion des Journalismus zu stellen, ist eindeutig ein Fehlverhalten der Medienschaffenden.

Um es boulevardesk auszudrücken: Die Boulevardmedien müssen sich ihrer exklusiven Mega-Verantwortung bewusst werden. Schluss mit Meinungsmache, Clickbaiting-Horror und Vertrauen-der-Leser:innen-Ausnutzen-Tragödie!

Autor

  • Jolanda Ost

    Geboren in Düsseldorf, hat Jolanda in Köln nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihre Leidenschaft für den Journalismus gefunden. Am liebsten schreibt und spricht sie über vegane Ernährung und Frauengesundheit.

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