Von Nachlässigkeit bis Kalkül – 5 Arten der Falschinformation

Der Begriff „Fake News“ ist seit Donald Trump ein politisch gefärbter Kampfbegriff geworden. Dabei sind Fake News – zu deutsch Falschnachrichten – nicht immer mit einer ideologischen Agenda besetzt. Oft führen auch schon schlechte Recherche, oder nachlässig Weitergetragenes zu Desinformation. Das Spektrum der Ursachen für Falschnachrichten reicht von Nachlässigkeit bis Kalkül – fünf Arten der Falschinformation haben wir hier für euch zusammengetragen:

Clickbaiting 

Schafe im Wolfspelz 

Verheißungsvolle, reißerische Überschriften sind vor allem für Online-Medien so verlockend wie lukrativ. Artikel, deren spannendster Part die Überschrift ist, zählen zur Kategorie „cheap news“. Boulevardmedien treiben diese Disziplin zeitweise auf die Spitze: So hieß es bei Promiflash vor kurzem: „Nicht Travis – Kylie reibt sich an einem anderen Mann“. Wie sich erst im Artikel herausstellt, handelt es sich bei dem „anderen Mann“, der Supermodel Kylie Jenner lediglich von hinten umarmt hatte, mit hoher Wahrscheinlichkeit um ihren Vertrauten und Make-Up-Artist Ariel Tejada. Clickbaiting erscheint in den meisten Fällen ärgerlich und frustrierend. Gefährlich ist es allerdings auch, denn es schmälert nicht nur das Vertrauen in einzelne Medien, sondern sorgt für ein Negativ-Image der Presse, das sich nicht so leicht bereinigen lässt. 


Verschwörungserzählungen

Wenn Meinung mit Information vertauscht wird

In der Podcast-Reihe „Cui Bono – What the Fuck happened to Ken Jebsen“ arbeitet ein Team aus Investigativ-Journalist*innen auf, wie der ehemalige Radiomoderator Ken Jebsen zum reichweitenstärksten Verschwörungsideologen Deutschlands wurde. Ein Aspekt, der bei der Aufarbeitung immer wieder diskutiert wird, ist die gefährliche Verwechslung von Meinung und Information. Behauptungen, die nicht belegbar sind, entspringen oft paranoiden Weltbildern. Diese formen sich dann häufig zu ganzen Konstrukten, die nicht „Verschwörungstheorien“, sondern „Verschwörungserzählungen“ genannt werden sollten – denn Theorien basieren auf wissenschaftlichen Tatsachen. So vermuten bestimmte Gruppen beispielsweise, dass es eine internationale geheime Elite gibt, die eine Weltverschwörung plant. Wenn solche Verschwörungserzählungen, wie im Fall Ken Jebsen, von einer einflussreichen und charismatischen Person verbreitet werden, ist das gefährlich. Denn Prominenz wird oft mit Expertise verwechselt, und leicht beeinflussbare Menschen können Reichweitenstärke als Legitimation für die krudesten Erzählungen missverstehen.


Bild- oder Videomanipulation

Die Dystopie Deepfake

Deepfakes sind Videos, die Frame für Frame bearbeitet wurden. Eine künstliche Intelligenz sammelt die Gesichtsdaten eines potentiellen Opfers, sodass das Gesicht dann zu einem Video zusammengesetzt oder auf ein anderes Gesicht „draufgesetzt“ werden kann. So kann vollkommen authentisch wirkendes Material von bekannten Persönlichkeiten erstellt werden. Es gibt Videos von Barack Obama, in denen er Donald Trump als „total and complete Dipshit“ (absoluten Penner) bezeichnet, was er natürlich nie selbst gesagt hat. Ungeübte Augen können diesen Fake nicht erkennen. Ein weiteres Problem: Jede Person, von der im Internet schon einmal Videos hochgeladen wurden, kann theoretisch Opfer eines Deepfakes werden. Allerdings: Mit je mehr biometrischen Daten – also Frames vom Gesicht einer Person – die KI (künstliche Intelligenz) „gefüttert“ wird, desto echter sieht das gefakte Video am Ende aus. Das heißt, besonders Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, also Politiker*innen und Prominente, sind potentiell gefährdet.


Unseriöse und unbelegte Quellen 

Alternative Fakten nach Weltbild maßgeschneidert

„Information ist die Währung der Demokratie“, sagte schon Thomas Jefferson, Mitverfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Wie Information, oder besser gesagt, ihr Gegenteil, Desinformation, instrumentalisiert werden kann, zeigt das Beispiel Donald Trump.Trump nannte die Lügen, die er in seiner Amtszeit und darüber hinaus verbreitete, meist über Twitter, „alternative Fakten“. Unter anderem behauptete er, es seien noch nie so viele Menschen zu einer Amtseinschwörung in Washington, D.C. erschienen, wie bei seiner im Jahr 2016. Dass Satellitenbilder und andere belegbare Quellen dies als falsch überführten, war Trump egal. Seine Reaktion auf Konfrontation mit Richtigstellungen seiner alternativen Fakten war oft die Flucht nach vorne. Das weiß auch Jodie Ginsburg, die mit dem Committee to Protect Journalists eine NGO gründete, die Ressourcen, Kontakte und Aufklärung für die Sicherheit von Journalist*innen bereitstellt: „Wir hatten Donald Trump als einen US-Präsidenten, der die Medien als den Feind der Leute bezeichnete (…). Es ist ein häufiges Motiv. Die Idee ist, die Medien zu diskreditieren und so die Leute loszuwerden, die die Regierung verantwortlich machen. Und dann sind sie frei, ihr illiberales Regime und ihre unterdrückende Politik zu betreiben.“.


Politische Desinformationskampagnen 

Wenn Regime gezielt Verwirrung stiften wollen

Mithilfe von sogenannten social bots – also Softwareroboter, die eigenständig auf sozialen Medien like, tweeten, und kommentieren – werden immer öfter Wahlkampagnen in scheinbaren Demokratien beeinflusst. Vor allem in Ländern, in denen die sozialen Medien zur Hauptquelle für Nachrichten und politischer Informationen heranwachsen, wie zum Beispiel in Kenia. Bei der letzten Wahl in Kenia gab es etwa 300 TikTok-Accounts, die politische hatespeech verwendet haben, sagt Asha Mwilu, Gründerin der kenianischen Fact-Checking Plattform „Debunk Media“. „Wir hatten bereits die letzten drei Male sehr problematische Wahlen, manche sind in schreckliche Gewalt ausgeartet. 2007 hat politische hatespeech zu solchen Gewaltausbrüchen geführt, dass dabei über 1.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Und wir haben dieses Jahr eine ähnliche Art von Sprache auf TikTok erkannt.“ Die Daten bezieht Mwilu aus einer Studie der Mozilla Foundation. „Auf diesen Accounts waren Videos, die von mehr als vier Millionen Menschen gesehen wurden. Als die Studie dann rauskam, wurden die Videos heruntergenommen. Das kam aber schon zu spät, denn der Schaden war längst angerichtet.” 

Der populärste Fall von gezielter politischer Einflussnahme durch Desinformation in der jüngeren Vergangenheit ist der Vorwurf der Manipulation der US-Präsidentschaftswahl 2020 durch Russland. Laut US-Geheimdiensten war Putins Ziel, die öffentliche Meinung von Joe Biden durch erfundene Korruptionsvorwürfe zu beeinflussen. Das langfristige Ziel war auch hierbei, „das Vertrauen in das US-Wahlsystem zu untergraben und die gesellschaftliche Spaltung der Menschen in Amerika zu verstärken“, so der Bericht der Geheimdienste.

Autor

  • mm

    trinkt Ingwershots wie Wasser und hört lieber Radio, als Fernsehen zu schauen. In welcher journalistischen Disziplin und vor allem in welcher Stadt sie nach Stationen in München (Süddeutsche Zeitung) und Hamburg (kulturnews) ankommen wird, muss sie allerdings noch herausfinden. Aktuell fühlt sie sich in Köln pudelwohl.

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