„She is like me!“ — Ariel im Auge des Shitstorms
Erboste Tweets und funkelnde Kinderaugen — schwarze Disneyprinzessinnen wie in The Princess and the Frog (2009) oder The little Mermaid (2023) lösen bei ihrem Publikum ein Spektrum an Emotionen aus. Während die einen die Originaltreue zum Plot und der Filmmusik wertschätzen, sehen andere durch die Realverfilmung des Disneyklassikers The little Mermaid (1989) ihre Kindheitserinnerungen davonschwimmen. Ariel, gespielt von der afroamerikanischen Schauspielerin und Sängerin Halle Bailey, wird aufgrund ihrer Hautfarbe auf Social Media für ein Problem verantwortlich gemacht, das sich in uns selbst verbirgt: das Problem der eigenen Identifikation.
Ihre Augen sind „so blau wie die tiefste See“ ist die einzige Beschreibung einer Seejungfrau in Hans C. Andersens fiktivem Werk Den lille Havfrue (Die kleine Seejungfrau) von 1837. Weder damalige Illustrationen eines weiblichen Wasserwesens mit goldenem Haar und blasser Haut noch die Disneyadaption von 1989 stimmen mit dem Kunstmärchen überein. Die namenlose Nixe opfert sich darin sogar selbst für die unerwiderte Liebe, was mit der tabuisierten Homosexualität des dänischen Schriftstellers verbunden wird. Kein Mensch hat je eine reale Meerjungfrau gesehen und weiß, wie diese aussieht. Auch die übrigen Meerjungfrauen und -männer des Remakes von 2023 bestehen aus einem internationalen Cast. Ariels Schwester fragt im Film: „Wir sind nicht alle gleich, warum sollten es die Menschen sein?“.
#NotMyAriel
Disney und sein Realverfilmungs-Wahn: Das Rassismusproblem in den USA werden auch schwarze Disneyprinzessinnen nicht lösen, indem sie mehr schwarze Zuschauer:innen ins Kino locken. Wie beliebt ein Leinwandcharakter ist, hängt nicht von seiner/ihrer Hautfarbe oder der des Publikums ab. Hollywoods Woke-Agenda zerstöre Kindheitserinnerungen, heißt es im Netz. Zahlen können dies zwar soweit widerlegen, dass immer mehr Frauen Hollywoodfilme inszenieren dürfen, LGBTQIA+-Geschichten erzählt werden und nicht-weiße Hauptrollen zunehmen — der heterosexuelle weiße Protagonist dominiert aber weiterhin den Film, wie der Hollywood Diversity Report 2023 der University of California beweist. Der Trend zum diverseren Cast ist seit 2019 sogar rückläufig.
Das Problem sei nicht der Rassismus, sondern die Kindheitserinnerungen, denen die neue Ariel nicht gerecht werde. In China sei der Film deshalb gefloppt, heißt es in der Schweizer Weltwoche. Hier ist anzumerken, dass Rassismus nicht nur zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung stattfinden kann. Was ist schlimm daran, dass zukünftige Generationen mit einem diverseren Disney aufwachsen? Mulan, Jasmine oder Ariel bieten Kindern multikulturelle Identifikationsmöglichkeiten. Auch Prince Eric bekommt 2023 einen facettenreichen Charakter, was für eine gleichberechtigte Wertevermittlung spricht. Wichtig dabei: Es sollte nicht darum gehen, bestehende Disneyklassiker zu recyceln, sondern darum, neue Geschichten mit originären schwarzen Charakteren zu erzählen.
Auf zu neuen Ufern
Kinder können sich mit der Rebellin Ariel identifizieren. Sie lässt sich nicht vom Vater oder der Meerhexe Ursula aufhalten, selbstbestimmt ihre Zukunft zu gestalten. Auch ihr Kuss mit Eric ist einvernehmlich. „She is like me!“: Der Film verbindet eine fiktive Als-ob-Welt mit unserem Alltag, und zeigt, wie wir eine bessere Realität erschaffen können. Die Welt mit Kinderaugen betrachten: The little Mermaid (2023) vermittelt Aufgeschlossenheit und Mut gegenüber dem Unbekannten. Wie Ariel im Film den Seefahrer:innen der Karibik begegnet, so sollten auch wir eine tolerante Diskussionskultur fördern.