Von Bleilettern bis Binärcodes:
Eine ökologische Reise durch die Mediengeschichte
Energieeffizient, FSC-zertifiziert, recycelt: Verbraucher:innen legen heute einen größeren Wert auf die Klimabilanz ihrer Produkte als je zuvor – einschließlich der Medien. Doch haben diese denselben Weg eingeschlagen?
„Umweltschutz, wie wir ihn heute verstehen, hat für die Menschen früherer Jahrhunderte keine oder eine ganz andere Rolle gespielt“, so Dr. Sandra Schultz vom Gutenberg-Museum Mainz. Deshalb sei es schwer, Fragen zum Umweltschutz auf früher zu übertragen, ohne den Menschen dieser Zeit ein mangelndes Umweltverständnis zu unterstellen. Sie schlägt vor, stattdessen von Einflüssen durch Menschen, Tiere und Produktionsprozesse auf die Umwelt zu sprechen, „denn die gab es zu jeder Zeit.“
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- 1440: Gutenberg macht Letter-Matrizen wiederverwendbarDie Erfindung des Buchdrucks ist aus eurozentrischer Sicht eng mit Johann Gutenberg verbunden, dabei druckten die Koreaner:innen bereits im 13. Jahrhundert mit beweglichen Metalllettern – bedingt durch die aufwendige Herstellung jedoch nie in serieller Produktion. Erst Gutenbergs Erfindung machte den Buchdruck mit metallischen Lettern massentauglich. Grund dafür ist zum einen die von ihm verwendete Blei-Antimon-Zinn-Legierung. Sie hat im Vergleich zur im asiatischen Raum verwendeten Bronze nur die Hälfte der Schmelztemperatur, was das Gießen des Typs erleichterte. Zum anderen war es Gutenberg gelungen, eine wiederverwendbare Gussform zu entwickeln. Bislang mussten die Druckvorlagen (Matrizen) beim Freilegen der Lettern zerstört werden.
Aus heutiger Sicht konnten durch Gutenbergs Druckverfahren sowohl Energie als auch Ressourcen eingespart werden. Auch wurden durch die verbesserte Drucktechnik Texte nun schneller und mit geringerem Aufwand gedruckt. Die Grundlage für den ersten Versuch einer Zeitung war geschaffen. - 1845: Zeitung besteht erstmals aus HolzDas in Europa verwendete Papier war von Beginn an ein Recyclingprodukt. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es aus Lumpen, also abgetragenen Textilien, hergestellt. Die Produktion war nicht nur aufwendig, sondern auch stark begrenzt. Für den Druck von Zeitungen in der Massenproduktion reichte dieser Rohstoff nämlich bei Weitem nicht aus.
Erst am 11. Oktober 1845 ließ der sächsische Erfinder Friedrich Gottlob Keller eine Zeitung auf Holzschliffpapier drucken. Bei diesem Verfahren wurde Holz in Faserquerrichtung auf einem Schleifstein unter Zuhilfenahme von Wasser zu Holzschliff verarbeitet. Damit wurde die Papierherstellung aus dem damals noch preiswerten Rohstoff Holz im industriellen Maßstab möglich. Der steigende Bedarf an Papier sorgte jedoch für ein schnelles Abholzen der Wälder. Dass später auch Holz für die Papierherstellung ein Problem werden würde, war allerdings zu dieser Zeit noch nicht absehbar. - 1950er-Jahre: Mit dem Videomagnetband sind Schere und Klebstoff passéFür viele heute kaum noch vorstellbar: Bis in die 1950er-Jahre wurden Filmstreifen in der Fernsehproduktion mit Messer und Klebstoff wortwörtlich geschnitten. Das änderte sich erst mit der Erfindung des Videomagnetbands. Die Vorteile dieser damals neuen Technologie betrafen die Produktion und die Umwelt gleichermaßen. Sie war kostengünstiger und es konnten bei gleicher Materialmenge mehr Daten gespeichert werden, wodurch sich die benötigten Ressourcen pro Film deutlich reduzierten.
In den 1990er-Jahren setzte mit dem Aufkommen digitaler Technologien der Übergang zu digitalen Speichermedien ein. Optical Discs (z. B. CDs oder Blu-rays) sowie später Speicherchips (z. B. in USB-Sticks) ermöglichten eine noch einfachere Bearbeitung des Videomaterials und erlaubten es, Datenträger für mindestens 1000 Schreibvorgänge wiederzuverwenden. - 1970er: Weg vom Blei, hin zu CodesBleilettern wie zu Zeiten Gutenbergs sind vollständig aus der Praxis verschwunden. Stattdessen tritt seit den 1970er-Jahren das Fotosatz-System auf den Plan. Gleichzeitig wurde im Zeitungsdruck auf das Offset-Verfahren umgestellt. Mit der Einführung computergesteuerter Desktop-Publishing-Systeme 15 Jahre später war es Verlagen dann möglich, Texte und Bilder digital zu erfassen und direkt auf Platten für den Offsetdruck zu übertragen. Durch dieses bis heute verwendete Verfahren wurden Bleilettern im Zeitungsdruck obsolet – und der Arbeitsprozess deutlich gesünder: Denn viele Zeitungssetzer litten unter einer chronischen Bleivergiftung.
Doch wie steht es um die Ökobilanz? Zwar ist das Recyclen der gegossenen Bleizeilen weniger energieintensiv, allerdings schneiden sie in Sachen Toxizität und Ressourcenverfügbarkeit deutlich schlechter ab als das heute für die Druckplatten verwendete Aluminium. Es ist nach Sauerstoff und Silizium das dritthäufigste Element auf der Erde. Blei kommt deutlich seltener vor. Außerdem sei Blei das weltweit gravierendste Umweltgift, wie es im Umweltgiftreport 2015 der Schweizer Stiftung Green Cross und der international tätigen Non-Profit-Organisation Pure Earth heißt. - 1999: Zur Jahrtausendwende wird das Radio digitalPassend zum Start in ein neues Jahrtausend wird 1999 das digitale Hörsystem DAB eingeführt. Es soll dank seiner verbesserten Wiedergabequalität und Störunempfindlichkeit den UKW-Radio-Empfang ablösen. Doch auch für den Umweltschutz besitzt das Digitalradio einige Vorteile gegenüber den analogen Frequenzen: Es benötigt deutlich weniger Energie. Genauere und aktuelle Zahlen lassen sich vor allem zur technischen Weiterentwicklung DAB+ finden. Laut einer Studie der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und des Bayerischen Rundfunks (BR) könnte der BR bei ausschließlicher Ausstrahlung seiner Programme über DAB+ rund 75 Prozent an Energie pro Programm einsparen.
Durchgesetzt hat sich das Digitalradio jedoch bis heute nicht. Einen Grund dafür nennen Hörer:innen gegenüber des Deutschlandfunks: „Ein DAB+-Radio verbraucht mehr Strom als ein UKW-Radio, das heißt die Kosten werden vom Sender auf die Hörer:innen abgewälzt.“ Hinzu kommt, dass DAB+-Geräte zwar meist einen UKW-Empfänger verbaut haben. Umgekehrt UKW-Radiogeräte aber den Digitalradio-Standard DAB+ nicht empfangen können. Auch die damit einhergehende Entsorgung noch funktionierender Geräte stimmt die Hörer:innen unzufrieden. - 1999: Tschüss Röhre, hallo FlachbildschirmDie ersten Flachbildfernseher kamen 1999 auf den Markt. Doch wie schneidet das Fernsehen in puncto Umweltschutz ab? „Flachbildschirme sind sparsamer als gleichgroße Röhrenfernseher“, so das Umweltbundesamt. „Aber weil die Bildschirme durch die neue Technologie größer geworden sind, steigt auch der Stromverbrauch.“ Aus diesem Grund zählt der Fernseher neben Kühl- und Gefriergeräten auch noch immer zu den größten Stromverbrauchern in deutschen Haushalten.
Nach ihrer Energieeffizienz eingeordnet werden TV-Geräte erst seit 2011. Seitdem müssen die Geräte mit dem EU-Energielabel versehen werden, das auf Basis der Energieeffizienz vergeben wird. Neben dem Energieverbrauch zahlen auch die in den Fernsehgeräten enthaltenen wertvollen Rohstoffe wie Edel-, Sondermetalle und Seltene Erden, aber auch Schadstoffe wie Quecksilber auf die Umweltbilanz des Mediums ein. - 2001: Das E-Paper erblickt das Licht der WeltIm Jahr 2001 wagte die Rhein-Zeitung einen bahnbrechenden Schritt und bot ihren Leser:innen als weltweit erste Tageszeitung ein täglich erscheinendes E-Paper an. Dabei handelt es sich um eine digitale Ausgabe der Zeitung, die in Bezug auf Inhalt und Layout mit der gedruckten Version identisch ist, wie die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) definiert. Auf den ersten Blick scheinen Verlage durch den Verzicht auf Papier über das E-Paper einen großen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Tatsächlich ist die Ökobilanz aber stark vom Nutzungsverhalten abhängig. Wird eine gedruckte Zeitung von mehr als drei Personen oder länger als eine halbe Stunde gelesen, gilt sie im Vergleich zu ihrer digitalen Variante als ökologischer – insbesondere aufgrund ihres hohen Altpapier-Anteils. Ein E-Reader lohnt sich erst, wenn über 300 Zeitungen mit dem Gerät gelesen wurden.
Besonders kritisch sah das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in seiner Studie 2005 die „Überall-Verfügbarkeit“. Da Leser:innen die elektronische Zeitung hauptsächlich mobil konsumierten und sie jedem Nutzenden individuell auf Servern bereitgestellt werden müsse, würde sie ihren ökologischen Vorteil verlieren. Jeder Download eines E-Papers und jeder Klick in der digitalen Ausgabe hinterlässt einen CO₂-Fußabdruck. Über das Mobilfunknetz (damals 3G) einen deutlich größeren als über den Internetanschluss. Das bestätigen auch neuere Untersuchungen im Auftrag des Umweltbundesamtes. Demnach verursacht auch eine Datenübertragung über das verhältnismäßig emissionsarme 5G mehr CO₂-Ausstoß als eine Übertragung per DSL-Anschluss. Am besten schneiden Übertragungen per Glasfaser ab. Für genauere Angaben, bezogen auf digitale Zeitungen ist die Forschungslage bislang zu dünn. - 2014: Netflix startet in DeutschlandSeit September 2014 können deutsche Nutzer:innen auf den Streaming-Dienst Netflix zugreifen und das tun laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2022 auch mehr als ein Drittel der Deutschen mindestens einmal pro Woche. Vor allem in der jüngeren Zielgruppe findet Streaming deutlich häufiger Platz als das klassische Fernsehen. Nicht selten wird daher von Streaming als Fernsehen der Zukunft gesprochen. Doch ist das eine klimafreundliche Zukunft? RTL Deutschland wertete im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie die Nutzungsdaten seines Streaming-Angebots RTL Plus aus. Die Analyse zeigte: Eine Stunde Streaming erzeugt durchschnittlich etwa 42,6 Gramm CO₂. Das entspricht in etwa einer Autofahrt von 150 Metern. Grund des CO₂-Ausstoßes ist vor allem der häufig nicht aus erneuerbaren Energien gewonnene Strom.
Auch die Art der Datenübertragung spielt auf die Ökobilanz ein. Laut einer Untersuchung des Öko-Instituts und des Fraunhofer Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) erzeugen Glasfaserkabel-Verbindungen die geringste Menge Kohlendioxid (zwei Gramm CO₂ pro Stunde). Beim mittlerweile eher veralteten 3G Netz ist es 45 Mal so viel (90 Gramm CO₂ pro Stunde). Clemens Rohde vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) rät zudem: Wer energiesparende Geräte verwendet, zum Beispiel ein Tablet statt eines Großbildfernsehers, spare Strom und CO₂. Auch solle man nach Möglichkeit eine geringere Auflösung für die Übertragung der Videos wählen. - 2015: Umweltfreundliches Papier wird zertifiziertDruckereien, die mit ihren Printprodukten ein Zeichen für Mensch und Umwelt setzen, werden seit 2015 mit dem Blauen Engel für Druckerzeugnisse ausgezeichnet. Mit dem Label gekennzeichnete Drucksachen dürfen ausschließlich Papiere mit einem Altpapieranteil von 100 Prozent sowie Farben, Lacke und Klebstoffe enthalten, die eine Wiederverwertung der Papierfasern ermöglichen.
Einige Zeitungsdruckereien verwenden für Ihre Printprodukte mit dem Blauen Engel zertifizierte Papiere. Um dieses Zertifikat zu erhalten, müssen die Druck- und Pressepapiere einen Recyclingpapieranteil von über 80 Prozent nachweisen. Laut dem Umweltbundesamt ist diese vermeintlich niedrige Zahl auf den Produktionsprozess zurückzuführen. Zeitungspapier benötigt teilweise Frischfaserzusätze, um den Anforderungen der schnell laufenden Zeitungsdruckmaschinen gerecht zu werden. Eine hohe Reißfestigkeit des dünnen Papiers ist dabei essenziell, um einen reibungslosen Druckprozess zu gewährleisten.
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Vanessa bezeichnet sich selbst als Printliebhaberin mit digitalen Wurzeln. Mit dem Journalismus hat sie schon in den Kinderschuhen begonnen und ist heute für diverse Medien im Bereich Familie, Lokales und Marketing tätig.