Mit Sexappeal verdienst du hier ganz viel: Machtmissbrauch in der Medienbranche
In der Medienbranche findet man sie haufenweise: Männer, die ihre Chef-Position ausnutzen, und junge Berufseinsteigerinnen, die unter solchen Männern leiden. Aber wo fängt Machtmissbrauch an? Wie kannst du dich dagegen wehren und warum werden die mächtigen Männer trotz der MeToo-Bewegung immer noch so wenig zur Verantwortung gezogen?
Der Axel Springer Verlag ist der wohl einflussreichste Medienkonzern Deutschlands und gleichzeitig das Vorzeigebeispiel für Machtmissbrauch gegenüber Volontärinnen, Praktikantinnen und jungen Mitarbeitenden. Das legt die Journalistin Pia Stendera gemeinsam mit ihrer Kollegin Lena von Holt im Spotify Original Podcast Boys Club offen. Ein Interview mit ihr enthüllt das Ausmaß des Machtmissbrauchs, der sich hinter den Kulissen der Medienbranche abspielt.
Hier kommst du zu dem Spotify-Podcast: https://open.spotify.com/show/42A230DwCz7M1Wicnmjx7R
Was tun, wenn es passiert?
Strategien für den Umgang mit Machtmissbrauch in der Medienbranche
Bist du gerade Volontärin, Praktikantin oder in einer anderen Position, in der du unangenehme Situationen mit einem vorgesetzten Redakteur erleben könntest? Dann solltest du dir unbedingt folgende Tipps anschauen. Eine Sache ist klar: Einen Machtmissbrauch wegzulächeln und über sich ergehen zu lassen, sollte niemand. Aber welche Möglichkeiten gibt es genau?
Möglichkeit 1: Kolleginnen oder Freunde informieren
Oft hilft es, mit Bezugspersonen über das Erlebte zu sprechen. So kannst du besser mit einem mutmaßlichen Machtmissbrauch – körperlicher oder psychischer Art – umgehen. Vor allem vertrauenswürdige Kollegen und Kolleginnen können dir wertvolle Ratschläge geben. Sie können dich darin bestärken, dass du mit deiner Wahrnehmung nicht übertreibst. Vielleicht kennen sie sogar Stellen im Unternehmen, an die du dich in solchen Fällen wenden kannst. Oder sie haben sogar ähnliche Erfahrungen erlebt, die sie erst im vertraulichen Gespräch mit dir teilen. Gemeinsam könnt ihr Beweise sammeln und nächste Schritte planen.
Möglichkeit 2: Die Person, die ihre Macht missbraucht, damit konfrontieren
Wenn du dich traust, kannst du die Person, unter deren Machtmissbrauch du leidest, einfach ansprechen. Denn Kommunikation ist der Schlüssel zu vielen Lösungen. Vielleicht ist es dem Redakteur gar nicht so bewusst, dass der Spitzname für dich, oder die private WhatsApp Nachricht an dich übergriffig sind.
Möglichkeit 3: Vorgesetzte, Personalabteilung oder Betriebsrat informieren
Vorgesetzte, die Personalabteilung oder der Betriebsrat können einen mutmaßlichen Machtmissbrauch sanktionieren. Damit du von solchen Stellen die notwendige Unterstützung bekommst, muss die Unternehmensstruktur Machtmissbrauchs-Fälle ernst nehmen. Das erkennst du beispielsweise an einem klar kommunizierten und praktizierten „Code of Conduct“, der sichtbar Missbrauchs-Opfer schützt und die Täterseite sanktioniert.
In der Realität sind solche Stellen oft zu wenig an einer ernsthaften Aufklärung interessiert. Stattdessen steht der Schutz der Unternehmensreputation im Vordergrund. Bei dieser Variante ist also Vorsicht vor dem Boys Club geboten: Sprichst du intern über deine Erfahrungen, musst du eventuell das Unternehmen verlassen oder wirst rausgemobbt.
Möglichkeit 4: Ombudsperson kontaktieren
Viele Redaktionen haben im Zuge der MeToo-Bewegung die Stelle einer Ombudsperson eingerichtet. Eine Ombudsperson ist eine institutionsunabhängige und neutrale Person, die bei Beschwerden und Anliegen zuhören und Lösungen anbieten soll. Dabei trifft sie in der Regel keine eigenen Entscheidungen. Allerdings wissen viele Mitarbeitende häufig nicht, dass es so eine Stelle gibt. Es ist also gut möglich, dass eine solche Stelle in deinem Unternehmen bereits existiert, von der du bisher noch gar nichts wusstest. Frag bei deiner Personalabteilung nach. Vielleicht kann sie dir einen Kontakt vermitteln.
Möglichkeit 5: Rat suchen bei den Telefonberatungen Helpline oder Gewalt gegen Frauen
Helpline ist eine unabhängige, anonyme und kostenlose Telefonberatung für Journalisten und Journalistinnen mit psychosozialen Problemen. Die Mitarbeitenden suchen mit Betroffenen in einem informellen Austausch Lösungsansätze. Die Beratung ersetzt zwar keine Therapie, kann aber hilfreich für dich sein sein, wenn du keine Bezugspersonen hast, oder anonym bleiben willst. Helpline wurde vom Netzwerk Recherche und dem Dart Centre Europe (DCE) ins Leben gerufen, weil es bisher keine vergleichbaren Angebote gab. Das einzige Manko: Das Projekt ist noch in Arbeit, die dazugehörige Telefonnummer folgt in Kürze (Stand Juli 2023). Bei Fragen zu dem Projekt kannst du aber an diese E-Mail-Adresse schreiben: helpline@netzwerkrecherche.de
Alternativ bietet das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen eine allgemeine Unterstützung für Frauen in Notlagen an. Mitarbeitende klären mit Betroffenen in einem Gespräch beispielsweise die Frage, wie man sich am besten gegen einen Übergriff wehren kann. Die Rufnummer lautet 116 016.
Möglichkeit 6: Öffentlichkeit einschalten
Mediale Aufmerksamkeit kann Unternehmen unter einen notwendigen Druck setzen, gegen Machtmissbrauch vorzugehen. Das haben vergangene Fälle wie die Reichelt-Affäre gezeigt. Wendest du dich mit deinem Fall an die Öffentlichkeit, steigert das häufig das Bewusstsein für Machtmissbrauch in der Journalismus-Branche. Eventuell ermutigt es sogar andere Betroffene, über eigene Erfahrungen öffentlich zu sprechen.
Wenn du dich für diesen Schritt entscheidest, musst du dir jedoch auch über mögliche, negative Konsequenzen bewusst sein. Möglicherweise wird die beschuldigte Institution oder Person Klage einreichen oder versuchen, deine Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Auf solche Eventualitäten solltest du dich deshalb bestenfalls mit Hilfe einer Rechtsberatung vorbereiten. Wagst du den Schritt in die Öffentlichkeit, wird dein Name von diesem Zeitpunkt an höchstwahrscheinlich immer in Verbindung mit der Debatte gebracht werden. Willst du das? Denk gut darüber nach.
Möglichkeit 7: Unternehmen meiden, die für Machtmissbrauchsskandale bekannt sind
Auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz kannst du dich bei Kontakten in der Branche umhören und im Internet recherchieren, ob die jeweilige Institution für Machtmissbrauchs-Skandale bekannt ist. Natürlich solltest du aus den Recherchen keine voreiligen Schlüsse ziehen. Nur weil ein Fall groß in der Öffentlichkeit breitgetreten wurde, ist nicht gleich das Arbeitsumfeld der gesamten Institution von Machtmissbrauch geprägt. Dennoch bieten die Recherchen eine Grundlage, um abzuwägen, ob du dich dort bewerben möchtest: Sind in der Institution so viele Fälle bekannt, dass dir das Risiko zu groß ist, selbst Opfer zu werden? Kannst du es moralisch vertreten, für so eine Institution zu arbeiten? Wenn du dich dagegen entscheidest, denk dran: Im Journalismus kannst du dich auf genug andere Stellen bewerben. Zwar ist die Branche besonders anfällig für Machtmissbrauch, aber in vielen journalistischen Unternehmen steht ein faires Arbeitsklima an oberster Stelle.
Einen weiteren Beitrag zu dem Thema findest du hier.