Versagen auf ganzer Linie – Der Klimajournalismus zwischen mangelndem Bewusstsein und falscher Balance

Foto: Chris LeBoutillier

Ein Kommentar: Versagen auf ganzer Linie. So muss man zusammenfassen, wie sich der Journalismus im Angesicht der drohenden Klimakatastrophe schlägt. Der Klimawandel ist eben diese Linie, die sich durch praktisch jedes Thema unserer Gesellschaft zieht. Er ist ein Querschnittsthema.

In der aktuellen Lage darf man nicht über ein Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent berichten, ohne zu erwähnen, dass die deutsche Wirtschaft pro Jahr mehr als 570 Millionen Tonnen CO2 produziert. Es kann keine freudigen Meldungen über die Erholung der Flugbranche nach Corona geben, ohne auch die 915 Millionen Tonnen CO2 zu erwähnen, die durch Flugzeuge ausgestoßen werden. Während bei einer Fußballweltmeisterschaft in Katar in vielen Berichterstattungen Kritik an menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Stadien mitschwingt – und das absolut zu Recht – wird dazu geschwiegen, welche Menge an Energie nötig ist, um Rasen zu bewässern und Stadien zu kühlen. Und das in einem Land, in dem es oftmals fünf Monate am Stück nicht regnet und auch im November 30 Grad hat.

Die Journalistin Sara Schurmann fasst die mediale Relevanz der Klimakrise treffend zusammen: „Sie ist kein Thema neben anderen, dem wir auf der medialen Bühne Platz geben, sie bedroht die ganze Bühne, die Welt an sich.“

Und doch räumt der Journalismus der Klimakatastrophe nicht den Platz auf Titelseiten und zur Primetime ein, der notwendig wäre. Kritischer Journalismus muss Hintergrund und Kontext erkennen und aufzeigen. Beim Thema Klima geschieht jedoch oft sogar das Gegenteil, es herrscht eine Kultur der falschen Balance. Oft bieten politische Talkshows eine Bühne, die primär eins sein soll: eine Arena der Konfrontation. Und dann sitzt der gestandenen Klimaforscherin mit Jahrzehnten Forschungserfahrung ein Leugner des menschengemachten Klimawandels gegenüber. Ohne Belege, nur mit einer Meinung. Unter dem Vorwand der Ausgeglichenheit wird zwei Lagern Reichweite ermöglicht, für die sich das eine gar nicht qualifiziert ist. Doch 97 Prozent der Klimawissenschaft ist sich einig: der Klimawandel ist menschengemacht.

Genau dieser sehr eindeutige Konsens muss von den Medien auch richtig dargestellt werden. Bei der Frage, was denn nun genau geplant ist, um die bitter notwendige Energiewende auch im nötigen Tempo zu bewerkstelligen wird in Polit-Talkshows selten nachgehakt. Was uns denn dieses abstrakte Mammutprojekt „Nachhaltigkeit“ nun alle kosten wird, ist hingegen eine fast immer gestellte Frage in den Gesprächsrunden. Welche Mehrkosten es mit sich bringt diese Wende zu verschlafen, gehört dann aber nicht mehr zum Fragenkatalog der Moderator:innen. Kritische Klimaberichterstattung muss zum ressortübergreifenden Querschnittsthema werden. Sei es Politik, Wirtschaft, Sport oder Unterhaltung. In jeder Redaktion muss fachliches Wissen und vor allem ein Bewusstsein für das Klima vorhanden sein.

Die Klimakrise braucht einen festen Sendeplatz in jedem Format, eine feste Spalte in jeder Zeitungsrubrik und eine immer wiederkehrende Stimme in jedem Hör-Format. Alles andere wird dem Anspruch des Klimajournalismus nicht gerecht.


Ein paar Ansätze für qualitativ hochwertigen Klimajournalismus gibt es jedoch bereits: beispielsweise das Netzwerk Klimajournalismus oder KLIMA vor acht.


Autor

  • Felix Früh

    Nach seinem Politikwissenschaftsstudium in Hamburg verschlug es Felix nach München, wo er als Redakteur an Dokumentarfilmen für das öffentlich-rechtliche Fernsehen mitwirkte.

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