Klimakiller Filmproduktion: Ist Green Producing die Zukunft?

Regisseur Tibor Baumann im Interview

Hunderttausende Tonnen an CO2-Emissionen für 90 Minuten Entertainment – das war lange Zeit Alltag in der Filmproduktion. Energie, Materialtransport, Reisen und Müll sind die größten Problemfelder, wenn es um Ressourcenverschwendung und Umweltzerstörung geht. Doch es findet ein Umdenken statt, Green Producing etabliert sich immer mehr in der Industrie.

Seit 2022 verleiht das Bundesumweltministerium gemeinsam mit der Heinz-Sielmann-Stiftung den Eisvogel-Award. Der Preis richtet sich an Filmproduktionen, die bei der Planung und Umsetzung auf nachhaltige Praktiken gesetzt haben. Der Gewinner in diesem Jahr ist der Science-Fiction-Film EXIT PANGEA. Im Interview erzählt Regisseur Tibor Baumann, wie sich Green Producing auf seinen Job auswirkt und warum das Konzept statt einer Einschränkung vielmehr eine Bereicherung für eine Filmproduktion ist .

Herr Baumann, was versteht man unter Green Producing?

Grundsätzlich ist das die Arbeit mit der CO2-Bilanz einer Filmproduktion und der Versuch, diese durch verschiedene Maßnahmen so gering wie möglich zu halten. Dabei geht es darum, zu reduzieren, wiederzuverwenden und zu recyceln. In der Materialschlacht, die Filmemachen zum Teil ist, wird versucht, nachhaltige Alternativen, z.B. für Kostüme, zu finden. Für mich als Regisseur ist Green Producing ein Abwägen zwischen den künstlerischen und den „grünen“ Produktionsnotwendigkeiten. Dabei darf natürlich die künstlerische Entscheidung nicht zurückstecken. Das Ganze so ähnlich wie der Umgang mit dem Budget für einen Film: Reizt man es an der einen Stelle aus, muss man es an anderer Stelle ein wenig einsparen.

Wie wirkt sich Green Producing logistisch auf eine Produktion aus?

Bei EXIT PANGEA war das Green Producing kein Faktor, der die Produktion teurer gemacht hat. Es fließen einfach mehr Gedanken, Zeit und Arbeit in nachhaltige Lösungen, aber das bedeutet nicht unbedingt Mehrkosten. Wir haben bei dem Film beispielsweise überlegt, wie sich ein aufwändiger Studiobau mit wiederverwendbaren Materialien umsetzen lässt und ob man Drehorte findet, die nach beieinander liegen, um Team- und Materialtransport zu reduzieren. Natürlich kann es unter Umständen sein, dass sich Kosten verändern, wenn man beispielsweise auf teurere Alternativen wie nachhaltig gewonnenes Holz oder biologisch abbaubares Styropor im Kulissenbau setzt. Andererseits sind Dieselgeneratoren teurer als E-Generatoren, selbst wenn man sie mit Öko- Strom betreibt. Man spart also an mancher Stelle Geld und an anderer gibt man mehr aus als in der konventionellen Produktion. Das wird sich aber mit Sicherheit noch zum Positiven verändern – das Phänomen kennen wir aus unserem alltäglichen Leben. Noch vor ein paar Jahren waren vegetarische Aufstriche, wiederverwendbare Batterien oder E-Autos um ein Vielfaches teurer – das hat sich verschoben. Anwendung schafft Lebensrealität, auch in kreativer Arbeit. Im Fall von EXIT PANGEA und aus meiner Sicht der Regie kann ich sagen, dass sich das Green Producing zu keinem Zeitpunkt negativ, egal ob finanziell oder anderweitig, auf den Spielraum für meine kreative Arbeit und die meines Teams ausgewirkt hat.


©tiborbaumann

Tibor Baumann wurde 1985 in Nürnberg geboren und wuchs zwischen fränkischer Provinz und Südostasien auf. Inzwischen lebt er in Berlin. Sein Leben lang begleitet von Theater und Literatur begann er, sich ab seinem 14. Geburtstag für die Regie zu interessieren. Er studierte Theater- und Medienwissenschaft im Bachelor in Erlangen, darauf folgte das Masterstudium Drehbuch & Dramaturgie an der Filmuniversität Konrad Wolf in Babelsberg. Im Rahmen dieses Studiums entstand der Cyberpunk-Film EXIT PANGEA.


Inwiefern unterscheidet sich Ihr Job als Regisseur bei einer grünen Produktion von einer konventionellen Produktion?

Es geht darum, einen Film zu machen und eine Vision gemeinsam umzusetzen. Grün zu produzieren ändert daran meines Erachtens nach nichts. Green Producing ist keine Filmart, es bedeutet nur, die CO2-Belastung zu reduzieren. Damit ist es eine Art zusätzliche Aufgabe innerhalb der produktionellen Ansprüche. Meiner Erfahrung nach ist es wichtig, dass dieser grüne Anspruch nicht als Reglementierung oder Einschränkung seitens der Produktion kommuniziert wird. Im Fall von EXIT PANGEA hat das hervorragend funktioniert. Ich konnte meiner Arbeit mit den Kolleg:innen der verschiedenen Gewerke ohne Einschränkung nachgehen. Ideen, die inhaltlich auf den Film einwirkten und gleichzeitig die CO2-Bilanz positiv beeinflusst haben, waren dabei immer mit einer kreativen Entscheidung fundiert – nie umgekehrt. Das Green Producing war also für mich in der Regie einfach Teil der Arbeitsrealität. Der Blickwinkel verändert sich. Aber das sollte er sowieso, das macht flexibel im Kopf.

Woher kam die Idee, EXIT PANGEA grün zu produzieren?

Ich hatte das große Glück, im Studium Sarah Dreyer kennenzulernen. Sie studierte Produktion, war von meiner Idee begeistert und wollte mit mir zusammen das Wagnis eingehen, einen Science-Fiction-Spielfilm zu machen. Sie hat mir dann das Konzept des Green Producing vorgestellt und es war von Anfang an klar, dass eine Produktion mit ihr grün sein würde. Für mich war es der erste Berührungspunkt mit dieser Idee. Das hat letztendlich sogar inhaltlich zum Film gepasst. Aber selbst, wenn dem nicht so wäre – unsere Lebensrealität macht dieses Umdenken notwendig. In unserer Konstellation war es letztendlich nie eine abzuwägende oder groß diskutierte Entscheidung. Mein Gedanke, das zu beobachten, ob es sich einschränkend auswirken würde, hat sich sehr schnell erledigt – einfach, weil es keinerlei negative Auswirkungen hatte.


© tiborbaumann

EXIT PANGEA ist ein 80-minütiger Cyberpunk-Film, der eine Zukunft darstellt, in der Körper und Maschine, Geist und Fleisch und Realität und Simulation miteinander verschmelzen. Dabei steht eine neue Stufe der Evolution, die uns Menschen hinter sich lässt, im Mittelpunkt.

EXIT PANGEA ist im Jahr 2023 veröffentlicht worden und im Rahmen des Masterstudiums von Tibor Baumann als Abschlussarbeit entstanden. Er hat das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Produziert wurde der Film von Sarah Dreyer.


Wie funktionierte die grüne Produktion bei EXIT PANGEA? Wie unterschied sich die Produktion konkret von einer konventionellen Produktion?

Der Unterschied lag bei EXIT PANGEA zum einen darin, dass mit der Unterstützung unserer wunderbaren Green-Consultant Katja Clausen, Kleinigkeiten verändert wurden. So gab es eben keine Wegwerfbecher, Mülltrennung, vegetarisches Catering und vieles mehr. Das sind Prozesse, mit denen ich nur am Rande zu tun hatte. Zum anderen waren da aber eben Veränderungen, die wir in die kreative Arbeit eingebunden haben und die weitreichender für den am Ende stehenden Film sind. So haben mein Kameramann Stephan Vogt und ich uns zum Beispiel auf den Anspruch hin, ohne Dieselgeneratoren zu arbeiten, für Leuchtmittel von Astera entschieden, die akkubetrieben sind. Das hat sich auf unser Lichtkonzept ausgewirkt – und das meine ich absolut positiv. Man könnte jetzt noch viele weitere Punkte aufzählen. EXIT PANGEA grün zu produzieren, funktionierte also über verschiedene Einzelteile, die ineinander greifen mussten – also genau so, wie eine Filmproduktion an sich funktioniert.

Glauben Sie, dass Green Producing die Zukunft der Filmindustrie ist?

Auch wenn ich Science-Fiction liebe, in die Zukunft kann niemand sehen. Aber, egal in welchem Bereich, ist es einfach nicht zu leugnen, dass wir uns anpassen und verändern müssen. Wenn alle Bereiche sich anpassen, dann kann eine Verbesserung stattfinden – die existenziell und sowohl individuell, als auch global-gesellschaftlich notwendig ist. Ob das die Zukunft des Films ist oder nicht, ist denke ich nicht die Frage. Die Frage ist eher: Wie schnell können wir uns verändern? Wie können wir dafür sorgen, dass kreative Prozesse weiterhin stattfinden und dass Green Producing einfach Teil davon wird? Dabei werden wir die Überregulierung nur vermeiden können, wenn wir es zum gelebten Verhalten machen. Also, es ist keine Frage, ob das die Zukunft der Filmindustrie ist. Es ist einfach eine Antwort, die wir geben müssen. Die Realität ist nun einmal nicht verhandelbar.

Auch die Fernsehbranche versucht sich immer mehr an umweltfreundlichen Alternativen. Was sich hinter den ökologischen Mindeststandards für nachhaltige Produktionen verbirgt und welche grünen Möglichkeiten die Fernsehbranche hat, könnt ihr hier nachlesen.

Autor

  • Jolanda Ost

    Geboren in Düsseldorf, hat Jolanda in Köln nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihre Leidenschaft für den Journalismus gefunden. Am liebsten schreibt und spricht sie über vegane Ernährung und Frauengesundheit.

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