„Für mich ist Lokaljournalismus nicht zu ersetzen“
Im Gespräch mit Lokalredakteurin Anica Tischler
Anica Tischler ist Redakteurin beim Kölner Stadtanzeiger. Ihr Volontariat hat sie in einer Region außerhalb Kölns für die Lokalzeitung absolviert. Sie spricht über ihren Zugang zum Journalismus und warum Lokale Medien immer noch wichtig sind.
Was bedeutet Journalismus für dich?
Journalismus ist meine Berufung, das wusste ich schon immer. Ich erkläre gerne komplexe Sachverhalte. Außerdem habe ich einfach Freude zu schreiben.
Journalismus ist einfach notwendig. Ich sehe Journalismus als vierte Gewalt und denke, dass das immer wichtiger wird. In Anbetracht aktueller Krisen und Kriege muss man doch irgendwie den Durchblick behalten. Für mich gehört auch dazu, dass man ganz klar eine Position bezieht und Ereignisse einordnet.
Wie passt Lokaljournalismus da rein?
Lokaljournalismus macht für mich das Gleiche. Für viele ist es aber eben noch viel relevanter, was vor ihrer Haustür passiert als z.B. das Geschehen in Berlin. Ohne Lokalmedien gibt es viel zu wenig Kommunikation zwischen kommunaler Verwaltung und Bürger:innen. Die können sich dann überhaupt nicht mehr beteiligen, weil sie ja nicht mitkriegen, was passiert. Für mich ist Lokaljournalismus nicht zu ersetzen. Wir haben das allgemeine Interesse vor Augen und nehmen viele Perspektiven ein. Städte und Unternehmen sehen erst einmal nur sich selber.
Warum bist du Lokaljournalistin geworden?
Ganz ehrlich: erst einmal war es die Stelle, die ich bekommen habe. Nach meinem Master in Literaturwissenschaften war mir klar, dass ich zur Zeitung möchte. Dann habe ich mein Volontariat für die Rheinische-Redaktions-Gemeinschaft (Anm. d. Red.: Zusammenschluss der Lokalredaktionen verschiedener Tageszeitungen im Rheinland) im Rhein-Erft-Kreis angefangen. Ich wollte auch wirklich zu einer Zeitung, die gedruckt wird. Ganz klassisch.
Es gibt ja sozusagen keine Konkurrenz. Was hältst du davon, dass eine einzige Redaktion sich um die gesamte Region kümmert?
Das ist so eine Sache, eigentlich sollte es mehr geben. Dann könnte Vielfalt besser abgebildet werden. Einige ältere Kollegen sagen, dass man früher mit redaktioneller Konkurrenz von der Kölnische Rundschau noch mehr leisten musste. Da wir ja in dieser Region das einzige Print-Medium sind, haben wir aber auch eine besondere Verantwortung. Der will ich gerecht werden. Ich sehe das allerdings auch nicht so sehr als kritisch an. Bei überregionalen und grundsätzlichen Themen finde ich Medienkonkurrenz viel wichtiger als bei uns in der Lokalredaktion.
Wie denkst du über die Zukunft des Lokaljournalismus?
Generell habe ich das Gefühl, dass Print als Medium für junge Journalist:innen nicht mehr so attraktiv ist. Die meisten wollen lieber digital publizieren. Kann ich total verstehen, auch wenn ich an Print glaube, sehe ich die Zukunft im digitalen. Aber gerade jungen Journalist:innen würde ich empfehlen, Erfahrungen im Print-Journalismus zu sammeln. Da lernt man gute Entscheidungen zu treffen, weil man wirklich gut drüber nachdenken muss: Bringe ich die Geschichte jetzt so? Passt das alles? Zurücknehmen, klarstellen und korrigieren geht dann nicht mehr so schnell.
Was die Zukunft des Print-Journalismus angeht: Gedruckte Zeitungen wird es weiterhin geben. Weniger werden es aber schon werden. Wie genau es in zehn Jahren aussieht, da bin ich mir auch nicht sicher. Mein Gefühl ist, dass wir noch lange Zeitungen in der Hand halten können. Zeitungen als Medium sind für mich eine Institution, so leicht ist die nicht wegzukriegen! Wir wollen aber auch ganz klar digital sein. Die wichtigsten Lokalartikel kann man immer auch online lesen. Sonst bedienen wir aktuell auch noch Facebook, da planen wir für die Zukunft eine noch direktere Kommunikation mit Leser:innen.
Woran arbeitest du am liebsten?
Ich mag die Abwechslung! Manchmal kann es auch guttun, sich einfach nur mit der Aufbereitung zu beschäftigen. Da kann ich aufladen.
Am liebsten arbeite ich aber natürlich an meinen Texten. Daran gefällt mir die Recherche am besten, sich richtig intensiv einem Thema zu widmen. Da kann ich auch schon mal aus den Augen verlieren, dass ich eigentlich schon genug weiß, um den Artikel fertigzustellen.
Was mir nicht liegt, sind Themen rund um Wirtschaft. Am schlimmsten sind Jahreshaushalte von Kommunen und Städten. Da geht man zum Stadtrat und versteht erst einmal nicht wirklich etwas. Um es dann aber verständlich beschreiben zu können, muss ich natürlich wissen, worüber ich schreibe. Dafür muss ich dann den Haushaltsplan studieren. So was mache ich immer noch nicht gerne.
Was machst du, wenn Feierabend ist?
Ich habe gerade viel Spaß am Kickboxen, da habe ich bald auch meine nächste Gürtelprüfung. Da kann man richtig abschalten oder auch mal was rauslassen. Der Trainer sagt auch manchmal: Ich kann sehen, wie dein Tag war. Manchmal lässt man dann seinen Frust besser erst einmal an einem Sandsack ab, bevor es zum Sparring geht. Ansonsten beschäftige ich mich gerne mit Pflanzen. Auf meinem Balkon habe ich viele Kräuter und sogar Gemüse. Das ist echt erstaunlich, was man auf einem Balkon so alles wachsen lassen kann.
Zuhause nicht erst einmal Nachrichten lesen?
Am meisten lese ich tatsächlich auf unserer eigenen Seite. Dann weiß ich auch, wie Leser:innen uns wahrnehmen. Die besten Lokalinfos gibt es bei uns. Überregional lese ich digital SZ, WDR und DIE ZEIT. DIE ZEIT habe ich auch abonniert, aber seit ein paar Wochen auch nur noch digital. Ansonsten lese ich Nachrichten über Instagram, da habe ich auch internationale Zeitungen und Ticker abonniert. Aber ganz schön querbeet alles, von Funk-Formaten bis hin zu einer schottischen Tageszeitung. Tagesschau und Radio nutze ich auch, obwohl ich Fernsehen echt nicht mehr so interessant finde.
Was würdest du deinen Lesern gerne sagen, wofür in der Zeitung kein Platz ist?
Ich würde meinen Lesern gerne sagen, dass sie immer mit mir Kontakt aufnehmen können! Egal weswegen, für konstruktive Gespräche bin ich immer offen. Gerade wenn von „alternativen Fakten“ und „Fake News“ gesprochen wird, fände ich so etwas wichtig. Auf Facebook sehe ich leider auch oft, wie Gespräche nicht ablaufen sollten. Da ist viel Hass und Negativität dabei. Wenn bei uns etwas fehlen sollte, würde ich wirklich gerne darauf hingewiesen werden. Nur dann können wir auch etwas ändern.
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