Der Journalismus-Markt befindet sich im Umbruch. Entwicklungen, wie immer kleiner ausfallende Werbebudgets und die damit verbundenen Einsparungen und Personalkürzungen, belasten die Branche schon seit längerer Zeit. Daraus ergibt sich die Fragestellung, inwiefern diese negativen Entwicklungen im Journalismus gestoppt und wieder rückgängig gemacht werden können. Ein wichtiger Faktor ist dabei das veränderte Nutzungsverhalten der Rezipienten. Information werden, vor allem von den jüngeren Generationen, hauptsächlich aus dem Internet bezogen. Doch kann mit dem Ansatz „Digital First“ der Journalismus überhaupt noch finanziert werden?
Menschen sitzen in einem Cafe und lesen Zeitung. Ein Bild, dass die uns bekannte eindimensionale Rezeption von Medieninhalten gut widerspiegelt. Doch dieses Bild bröckelt immer mehr. Die Nachfrage nach analogen Inhalten aus Zeitungen, Radio oder Fernsehen geht immer weiter zurück. An ihre Stelle sollen digitale journalistische Angebote treten, die aber auch vergleichbare Erlöse erwirtschaften müssen, um das alte Angebote langfristig betrachtet ersetzen zu können.
Harten Journalismus liefern
Verschiedene Umfragen und Studien zeigen, dass die Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer im deutschen Journalismus-Markt nicht für digitale Inhalte bezahlen will. Am Ehesten besteht eine Zahlungsbereitschaft, wenn es sich um den sogenannten „harten Journalismus“ handelt. Der harte Journalismus umschreibt dabei journalistische Inhalte mit einem hohen persönlichen Nutzwert für die Rezipienten. Die gesellschaftliche Bedeutung der Inhalte steht ebenfalls verstärkt im Fokus. Richtig angepasst könnte so journalistische Formate wie Reportagen oder Nachrichten eine hohe Zahlungsbereitschaft generieren. Ander Formate, wie Meinungsstücke, satirische Beiträge oder Interviews, haben es im Vergleich dazu aber eher schwer. Ebenfalls entscheidend ist die Zugehörigkeit der Nachricht in das jeweilige Ressort. Für die Bereiche Wirtschaft, Politik und Wissenschaft liegt eine höhere Bezahlabsicht vor, als für die Ressorts Sport oder Kultur. Das Ziel sollte es deshalb sein, konstruktive Ratgeber- und Hilfsfunktionen für spezifische Nischen zu entwickeln.
Journalismus Rezipienten der jüngeren Generation nutzen die Inhalte hauptsächlich mobil und zeitunabhängig. Diese Form der Nutzung bringt aber auch gewisse Anforderungen mit sich. Um die Aufmerksamkeit der Nutzer nicht zu verlieren, müssen die Inhalte möglichst simpel und ohne Umwege ihren Weg zum Nutzer finden.
Einfache Orientierung ermöglichen und Inhalte zielgenau ausspielen
Die Nutzerinnen und Nutzer erwarten ein journalistisches Angebot, dass die wichtigsten Inhalte aus den relevantesten Ressorts, zusammenfasst. Fällt dieses Angebot zu umfassend aus, können sich die Rezipienten aber auch schnell von der Informationsflut erschlagen fühlen. Mitentscheidend für den Erfolg der Anbieter von journalistischen Inhalten ist es deshalb eine einfache Orientierung für den Nutzer zu ermöglichen. Nur so kann der Suchaufwand für die Rezipienten minimiert werden. Die Zielsetzung muss dabei lauten, dass die Inhalte zum Rezipienten kommen – er also gar nicht mehr danach suchen muss. Die neuen digitalen Möglichen schaffen dabei eine zielgenaue Personalisierung. Im Optimalfall wird so dem Nutzer noch interessantes Unbekanntes gezeigt, während eine Versorgung mit den grundlegenden Nachrichten immer gewährleistet ist.
In bestimmten Situationen ist es wichtig Gewissheit zu haben. Diese Gewissheit und auch ein Stück weit das Vertrauen in den Journalismus generell, ist in unserer Gesellschaft abhandengekommen. Umso wichtiger ist es neue Medienangebote zu schaffen, denen die Menschen vertrauen können. Ein vereinfachter Zugang zu den Inhalten und eine transparente Arbeitsweise im Journalismus ist dafür sehr wichtig für die Zukunft des Journalismus.
Qualität sichtbar machen, durch Inhalte auf die leicht zugegriffen werden kann
Viele Rezipienten stören sich an Paywalls und eingeschränkten Zugängen zu den journalistischen Inhalten der Medienangebote. Dabei ist ein starker Zusammenhang zwischen der wahrnehmbaren Qualität der journalistischen Inhalte und der Zahlungsbereitschaft der Rezipienten erkennbar. Dieses negative Gefühl der Nutzer kann in der digitalen Welt durch verschiedene Maßnahmen verringert werden:
- Einfach abzuschließende Testabonnements
- Leseproben und Teaser zur Qualitätseinschätzung
- Kurze Kündigungsfristen
- Eine transparente Preisstruktur
- Einfache Bezahlsysteme
- Verständliche Kommunikation über die Qualität der journalistischen Arbeitsweisen
All diese Punkte sind grade in einer sehr transparenten Online-Welt von einer hohen Relevanz. Für die Anbieter von journalistischen Inhalten ist es deshalb zukünftig wichtig als Marke selbstbewusst aufzutreten und seine Inhalte im digitalen Raum niemals hinter Paywalls & Co zu verstecken.
Werbung umgibt uns alle ständig. Im digitalen Raum ist es fast noch schwieriger ihr zu entkommen als im normalen Leben. Doch ist das überhaupt nötig? Kann durch die Kombination der neuen digitalen Möglichkeiten und eines individuell angepassten Werbereizes, nicht ein Mehrwert für den Nutzer geschaffen werden? Grade im Hinblick auf die seit Jahren rückläufigen Werbeeinnahmen in der Journalismus-Branche, wäre es sinnvoll sich intensiv mit den neuen Werbemöglichkeiten auseinanderzusetzen.
Werbequalität und Werbefreiheit auch bei journalistischen Angeboten nutzen.
Der Rückgang der Werbeeinahmen auf dem Journalismus-Markt hat viele negative Folgen mit sich gebracht. Die ganze Journalismus-Branche war für Jahrzehnte stark auf die Werbeinnahmen ausgerichtet. Mittlerweile sind die großen digitalen Unternehmen wie Google oder Meta dazu in der Lage Werbung viel passgenauer an die Menschen auszuspielen, als z.B. durch Zeitungs- oder TV-Werbung möglich ist. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass viele der Werbekunden ihren Hauptfokus auf den Online-Markt legen. Das entscheidende Kriterium sind dabei die Daten, die über den potenziellen Kunden gesammelt werden können. Nur durch ausreichend Daten, kann man zielgenaue Werbungen schalten. Diesem Effekt könnten sich auch die Journalismus-Anbieter bedienen, entweder durch eine engere Zusammenarbeit mit Firmen, wie Google oder Meta, oder durch ein intensivierte eigene Datenerhebung im Kundenstamm. Die daraus entstehenden relevanten Werbeinhalte können so einen positiven Effekt nach sich ziehen. Die journalistischen Medienhäuser sollten deshalb mit einer Werbefreiheit als Produktversionen experimentieren, so wie es gegenwärtig schon einige Verlage tun. Darüber hinaus gilt es die Werbequalität zu erhöhen. Eine wenig aufdringliche, informative und unterhaltsame Aufbereitung der Werbung, kann dabei sogar vom Rezipienten als nützlich empfunden werden.
Der Ansatz „Digital First“ muss vor allen Dingen bei der jüngeren Generation funktionieren, weshalb eine Stärkung der Medienkompetenz von einem jungen Alter an mitentscheidend für die Zukunft des Journalismus ist. Im Zeitalter der „Fake News“ und einem unaufhörlichen Strom an Informationen im Internet, müssen bereits die Kinder darin geschult werden was im digitalen Zeitalter als sicher Quelle verstanden werden kann und was nicht. Neben der geförderten Medienkompetenz müssen journalistische Prozesse in der Zukunft auch transparenter gestalten werden. Nur dadurch kann bereits verlorenen gegangenes Vertrauen in den Journalismus zurückerlangt werden.
Die Medienkompetenz in der Gesellschaft fördern und durch transparenten Journalismus das Vertrauen zurückgewinnen.
Die Corona-Krise hat das aktuelle Hauptproblem des Journalismus in Deutschland für jeden sichtbar gemacht: Viele Menschen haben das Vertrauen in die journalistische Arbeit verloren. Als Folge davon wurde sich alternativen Informationsquellen und Verschwörungstheorien zugewendet. Fehlendes Vertrauen in die Massenmedien und eine wachsende Polarisierung innerhalb der Gesellschaft sind dabei ernstzunehmende Symptome für jede demokratische Gesellschaft. Denn eins ist klar: Schwankt das demokratische System, erübriget sich auch die Frage nach der Finanzierung des Journalismus – ohne freiheitliches System, keine freie Berichterstattung. Deshalb gilt es das Publikum in die Lage zu versetzen, vertrauenswürdige von weniger vertrauenswürdigen Angeboten unterscheiden zu können. Nur so kann Verständnis dafür geschaffen werden, wie digitaler Journalismus funktioniert und welche Kosten mit ihm verbunden sind. So sollten Konsumentinnen und Konsumenten zukünftig vertrauenswürdigen Journalismus erkennen können. Das könnte sich auch für die Medienhäuser lohnen, die so auch auf Zahlungen von Seiten der Nutzer hoffen dürfen. Die Förderung der Medienkompetenz spielt also eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der journalistischen Arbeit.
Der Begriff „Streaming“ ist im Zusammenhang mit anbieterübergreifenden Plattformmodellen, wie Netflix oder Spotify, zu einem festen Größe im Medienmarkt geworden. Es ist nicht mehr länger entscheidend wer die Inhalte produziert hat, viel entscheidender ist ein einfacher Zugang zu den Inhalten. Ob ein solches Modell auch im Journalismus erfolgreich sein könnte, ist dabei fraglich, jedoch lassen erste europäische Ansätze in diese Richtung, wie z.B. der Fernsehsender „arte“ durchaus hoffen.
Im Journalismus anbieterübergreifende Plattformmodelle schaffen, ähnlich wie Netflix oder Spotify.
Die Musik und die Film Branche haben sich bereits in eine diese Richtung entwickelt, bei den Anbietern von journalistischen Inhalten gilt dies bisher als eher unwahrscheinlich. Zu groß ist das Konkurrenzdenken zwischen den Verlagen. Zu kompliziert die rechtlichen Fragen rund um Lizenzen und Senderechten. Dabei wünschen sich die Nutzerinnen und Nutzer genau das: Selbstständig ein digitales Medienmenü aus diversen Angeboten und gemischten Inhalten zusammenzustellen. Oftmals werden die aus anderen Medienbranchen bereits bekannten Modelle erwartet, wie etwa Netflix oder Spotify. Inwiefern die Bündelung von journalistischen Inhalten eine sinnvolle Option darstellen könnte, sollte deshalb zumindest geprüft werden. Vieles deutet darauf hin, dass ein solches Plattformangebot im digitalen Journalismus lukrativ sein könnte. Wenngleich ein derartiges Geschäftsmodell für viele etablierte Medienunternehmen, die aktuell noch immer hochpreisige Print- und Digitalabonnements verkaufen, kaum vorstellbar ist, würde es insbesondere kleineren Medienanbietern und Journalismus-Startups eine große Chance viele neue Möglichkeiten eröffnen.
Kann der Journalismus der Zukunft überhaupt noch finanziert werden?
Die Frage, ob der Journalismus der Zukunft überhaupt noch finanziert werden kann, lässt sich mit einem klaren Ja beantworten. Obwohl der „Digital First“ Ansatz viel Veränderung für die ganze Branche mit sich bringt, ist es gleichzeitig auch eine riesige Möglichkeit, um den Journalismus noch näher an die Menschen zu bringen. Wenn die gestellten Zukunftsanforderungen von den großen Medienhäusern in Deutschland umgesetzt werden, kann der Journalismus der Zukunft auch hinreichend finanziert werden. Gleichzeitig könnten durch den digitalen Wandel, viele Möglichkeiten für junge Unternehmen entstehen, einen starken Innovationsdruck in die Branche bringen würden. Es gilt also alles daran zu setzen journalistische Inhalte in einer veränderten digitalen Umwelt wieder attraktiv zu machen, um somit die Relevanz des Journalismus in der Medienwelt wieder herzustellen.
Podcast mit Professor Buschow
Dr. Christopher Buschow ist Juniorprofessor für „Organisation und vernetzte Medien“ im Fachbereich Medienmanagement, an der Bauhaus-Universität Weimar. Er forscht schwerpunktmäßig zur Organisation und Finanzierung des digitalen Journalismus sowie zu Entrepreneurship und Innovationen in einer vernetzten Medienbranche. 2019 erforschte er im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW gemeinsam mit Christian-Mathias Wellbrock die Zahlungsbereitschaft für digitalen Journalismus in Deutschland („Money for nothing and content for free?“). Im Jahr 2020 erstellte er zusammen mit Christian-Mathias Wellbrock eine Analyse des Innovationssystems des deutschen Journalismus.