Verloren im Siegel-Dschungel

Wie uns Nachhaltigkeit vorgegaukelt wird

Noch nie war uns Nachhaltigkeit und das Bewusstsein woher unsere Lebensmittel kommen so wichtig wie jetzt. Trotzdem wissen die meisten Menschen wenig über die Herkunft und die Vergangenheit ihres Essens.

Um trotzdem alles „richtig“ zu machen, orientieren sich viele beim einkaufen an Gütesiegeln und die gibt es im Überfluss. Mann kann von einer wahren Siegelflut sprechen. Allein in Deutschland gibt es über 1.000 Gütesiegel, von denen die meisten allerdings nicht auf rechtlichen Grundlagen basieren. Ein Großzahl der Zeichen sind Eigenmarken oder private Prüfzeichen. Dies ist für die Verbrauchenden allerdings schwer zu erkennen. Die Wenigsten kennen überhaupt die Bedeutungen und Kriterien der Siegel, denen sie vertrauen.

Wusstet ihr zum Beispiel, dass es zwischen dem EU-Biosiegel und dem deutschen EU-Biosiegel gar keinen Unterschied gibt? Es werden trotzdem meistens beide auf die Produkte gedruckt, weil es das deutsche Siegel schon länger gibt und die Verbrauchenden ihm deswegen mehr vertrauen. Mehr Bio ist das Produkt durch mehrere Siegel aber nicht.

Wenn ihr etwas mehr in die Siegelwelt eintauchen und herausfinden wollt, wie ihr durch den Siegeldschungel durchfinden könnt, schaut euch gerne unsere kleine Reportage zu diesem Thema an:

Fehlende gesetzliche Standards

Weil das staatliche Tierwohllabel, das Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner verabschieden möchte, nur auf Freiwilligkeit beruht, haben sich einige große deutsche Supermarktketten zusammengeschlossen und für Fleisch ein Haltungsklassenmodel entwickelt. Es besteht aus vier Stufen.

Das Problem mit der Freiwilligkeit (Philip Heldt – Verbraucherzentrale NRW)

Der gesetzliche Standard an Platz im Stall liegt beispielsweise für Schweine bei 0,75 Quadratmetern, in Haltungsform 4, also Premium, haben die Tiere 100 Prozent mehr Platz. Dies entspricht aber nur 1,5 Quadratmetern, also immer noch viel zu wenig Platz. Faktoren wie verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien werden bei diesem Prüfsystem aber nicht beachtet. Es handelt sich hierbei also nicht um ein Tierwohllabel.

Quelle: www.haltungsform.de, Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH
  • Haltungsform 1 „Stallhaltung“ beschreibt den gesetzlichen Mindeststandard.
  • Haltungsform 2 „StallhaltungPlus“: Die Tiere haben etwas mehr Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 10 Prozent) und es gibt zusätzliches Beschäftigungsmaterial. Bei Kühen ist die das anbinden untersagt.
  • Haltungsform 3 „Außenklima“ bedeutet, dass die Tiere neben noch mehr Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 40 Prozent) Kontakt mit dem Außenklima haben, beispielsweise durch überdachten Außenbereich am Stall oder durch eine nach außen offene Stallseite. Das Futter muss frei von Gentechnik sein.
  • Haltungsform 4 „Premium“ In dieser Stufe ist Biofleisch zu finden, allerdings auch konventionell erzeugtes Fleisch, wenn die Tierhaltung die beschriebenen Anforderungen erfüllt. Sie bietet den meisten Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 100 Prozent) und einen Auslauf der Tiere im Freien. Das Futter ist frei von Gentechnik.

Obwohl uns Tierwohl so wichtig zu sein schient, gibt es nur wenig Fleisch der Haltungsklassen 3 und 4 zu kaufen, was diese Grafik nochmal verdeutlicht:

Eigene Darstellung; Zahlen von: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/haltungsformkennzeichnung-im-handel-die-auswahl-bleibt-mangelhaft-25484

Wie kann man denn nun zukunftsorientiert und nachhaltig leben?

Fleisch hat noch ein anderes Problem: es ist nicht nachhaltig (O-Ton Philip Heldt)

Als Tipp: nicht jedes Siegel sagt viel über Nachhaltigkeit aus, am besten merkt ihr euch also die fünf bis zehn wichtigsten Siegel für euch und achtet nur auf diese beim einkaufen. Wer auf seinen Konsum von tierischen Produkten achtet und versucht Lebensmittel aus der näheren Umgebung zu kaufen, der tut schon viel mehr für die Zukunft, als der Großteil der Käufer:innen. Diese Produkte müssen auch keine Gütesiegel aufweisen, um nachhaltig zu sein.

Wer detaillierte Informationen über Gütesiegel aus allen möglichen Produktsparten des täglichen Lebens haben möchte, der kann sich auf Seiten wie https://label-online.de und https://www.siegelklarheit.de genauer informieren.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.