Die geheime Schnitzeljagd: Schnell, suchend – von einem Ort zum anderen hetzend, fast animalisch. Das Knurren wird lauter und frisst einen langsam von innen auf. Alles nur, um veganes Essen zu finden?
Ein paniertes Schnitzel, Bratkartoffeln und Ofengemüse zieren heute Idas Teller. „Früher sah das in Restaurants ganz anders aus, entweder gab es kein veganes Essen oder erst nach einer langen Diskussion einen Teller trockene Nudeln“, erzählt die 20-jährige Studentin aus Frankfurt, die seit acht Jahren vegan lebt. Für Ida ist es nicht nur eine Ernährungsform, sondern ein Lebensstil, den sie aus ethischen und nachhaltigen Gründen für sich gewählt hat. Auch bei den Menschen, die Fleisch essen, habe die Studentin das Gefühl, dass bei vielen mittlerweile ein Bewusstsein für den Konsum herrscht und immer mehr Menschen versuchen, zumindest ihren Fleischkonsum einzuschränken.
Die rein pflanzliche Ernährungsform hat in den letzten Jahren stark zugenommen und wird immer populärer. 2021 lag laut der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse die Anzahl der Menschen in Deutschland, die sich selbst als Veganer einordnen, bei 1,41 Millionen. Damit waren es 280.000 Personen mehr als im vorherigen Jahr. „Als ich angefangen habe, mich vegan zu ernähren, kannte ich außerhalb meiner eigenen Familie nicht einmal andere Vegetarier und mittlerweile ernährt sich fast mein gesamter Freundeskreis überwiegend vegetarisch und immer mehr von ihnen auch vegan“, sagt Ida.
Zu Beginn sei es ihr schwergefallen, sich vegan zu ernähren, da es damals noch fast keine pflanzlichen Ersatzprodukte und Kennzeichnungen an Lebensmitteln gab. Das war wie eine Schnitzeljagd, berichtet Ida. Dadurch sei das Einkaufen schwierig gewesen und sie musste auf viele Lebensmittel verzichten.
Doch aufgrund der steigenden Nachfrage nimmt auch die Vielfalt an veganen Ersatzprodukten immer weiter zu. Sie sollen eine pflanzliche Ernährung ohne Verzicht ermöglichen. So wurden allein im Jahr 2020 mehr als 83.700 Tonnen Fleischersatzprodukte in Deutschland produziert und damit wurden rund 39 Prozent mehr als im Vorjahr erzeugt. Das bestätigt auch Ida, die aufgrund des wachsenden Angebots nicht mehr das Gefühl habe, dass sie auf Lebensmittel verzichten müsse.
Ernährungsberaterin Jenny Krepp von Team-Healthy aus Frankfurt mit dem Schwerpunkt Veganismus erklärt: „Pflanzliche Ersatzprodukte können hilfreich sein für den Umstieg von einer Mischkosternährung zu einer veganen Ernährung, sollten aber nur einen kleinen Teil der gesamten Ernährung ausmachen.“
Des Weiteren sei es wichtig, dass auf die vier Food Groups geachtet wird. „Die erste Gruppe enthält Obst und Gemüse in Hülle und Fülle. Es folgt die Kohlenhydraten-Gruppe, die zum Beispiel aus Vollkornreis, Süßkartoffel, Vollkornmehl und Quinoa besteht. Hier ist es am besten, die vollwertige Variante zu wählen, da diese deutlich nahrhafter ist und lange satt macht. In der dritten Gruppe sind die Hülsenfrüchte, also Kichererbsen, Linsen in jeglicher Form, Tofu oder Alternativen untergebracht. Diese sind eine klassische Proteinquelle. Die letzte Gruppe bilden Nüsse und Samen für gesunde Fette.“
Für eine vollwertige vegane Ernährung müssen nicht zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, jedoch gibt es Mikronährstoffe, die allgemein geringer in Lebensmitteln enthalten sind, wie zum Beispiel Vitamin B12. „Das Risiko für einen Vitamin B12-Mangel ist bei Veganer:innen nicht höher als bei anderen Ernährungsformen. Auch Menschen, die ihre Ernährung anders strukturieren, leiden häufig unter Mangelerscheinungen, da unter anderem viele Medikamente Nährstoffräuber sein können. Zum Beispiel die Pille, Herzmedikamente, Betablocker und noch viele weitere. Deshalb empfehle ich jedem, auch Misch-Köstlern, diesen Nährstoff, da B12 sehr wichtig für unseren Körper ist“, erläutert die Ernährungsberaterin. Wie bei jeder Ernährungsform ist die Ausgewogenheit der Schlüssel zum gesunden Lebensstil und wenn die vier Food Groups berücksichtigt werden, könne man seinem Körper sehr viel Gutes tun, betont Krepp.
„Manchmal“, sagt Ida, „möchte ich mit Freund:innen Essen gehen und dann freuen wir uns immer über die große Auswahl an Restaurants in Köln. Das macht die Suche sehr entspannt.“
Die Anzahl der rein veganen Gastronomiebetriebe in Deutschland ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Im Jahr 2013 gab es lediglich 75 vegane Restaurants, doch mittlerweile gibt es mehr als 300 rein vegane Gastronomiebetriebe.
Ida bezahlt und verlässt das Restaurant. Nur der Teller mit einzelnen Bratkartoffeln steht noch auf dem Tisch und mit den verbleibenden Spuren könnte nicht mal Sherlock Holmes den Fall lösen, ob es vegan war oder nicht.