Zwischen Realitätsflucht und Abhängigkeit: Das Smartphone ist aus dem Alltag der Generation Z nicht wegzudenken – doch zu oft mangelt es an der nötigen Medienkompetenz.
Fünfte Unterrichtsstunde an einem Montag. Veronica steht aufgeregt vor der Klasse und hält eine Präsentation in Geschichte. Sie ist bei der letzten Folie angekommen, die Klassenkamerad:innen starren gelangweilt Löcher in die Luft. Die Lehrerin ist gar nicht begeistert, denn die Gliederung und die Themen sind exakt von Wikipedia kopiert. Veronica hat den Umgang mit Medien nie richtig gelernt. Massenphänomen oder Einzelfall?
Informationen aus dem Netz beziehen und sich um soziale Kontakte kümmern, heutzutage ist das Standard. Fast jede:r Jugendliche der Generation Z besitzt ein Smartphone mit Internetzugang. Geschult wurde darin niemand, aber jeder benutzt es. Jeden Tag präsentieren Schüler:innen Themen in der Schule. Der Großteil verwendet Google für die Recherche und erlangt mit nur ein paar Klicks alle Informationen, die gebraucht werden.
Dass eine Schulung im Umgang mit Inhalten im Netz Not tut, das zeigt die Erfahrung des Diplom-Sozialpädagogen Andreas Pauly. Er ist Mitarbeiter der Fachstelle für Suchtprävention in Bonn und sagt: „Viele Jugendliche haben einen gut reflektierten Umgang mit Medien, doch durch die schnelle Entwicklung der Apps werden Jugendliche und Eltern vor allem in Teilbereichen an ihre Grenzen geführt.“ Täglich beschäftigt er sich mit Fällen rund um das Thema mangelnde Medienkompetenz. Der Standardunterricht reicht häufig nicht aus, erklärt Pauly. Das bestätigt auch Veronica, eine Schülerin der gymnasialen Oberstufe: „In der sechsten Klasse hatte ich ein Jahr Unterricht, in dem mir die Grundlagen von Word und PowerPoint beigebracht wurden. Begabt bin ich keinesfalls, aber ich weiß, wie man damit umgeht und finde mich gut zurecht.“ Doch reicht ein Jahr Grundlagen aus, um Medienkompetenz zu erlangen? Für die Basics im Unterricht vielleicht, doch erst im wahren Leben lernt man, was Medienkompetenz wirklich bedeutet. Vor allem, sich der Sicherheit im Netz bewusst zu sein und gut selektieren zu können. Ihre Meinung bilden sich die jungen Heranwachsenden meist in ihrem sozialen Umfeld, da sie von Familien und Freund:innen geprägt werden. 60 Prozent der Jugendlichen beziehen ihre Infos beispielsweise von Influencer:innen auf YouTube und eben nicht von seriösen Nachrichtenagenturen.
Die meisten Jugendlichen betreiben eine eher einseitige als breit gefächerte Recherche. So schnappen sie oft Fake News auf und im schlimmsten Fall verbreiten sie sie weiter. Leichtgläubig geben Jugendliche wichtige und persönliche Daten preis oder laden Bilder hoch, ohne zu wissen, dass diese zurückverfolgt werden können. Angefangen damit, bei unseriösen Shops seine Emailadresse für Newsletter oder Rabatte einzugeben.
„Jugendliche entfliehen in dieser Welt häufig ihren Eltern“, sagt Pauly. Gerade Verbote, die Kinder aufgebrummt bekommen, gibt es im Internet nicht zu beachten. Ein schmaler Grad zwischen zeitweiliger Realitätsflucht und ernstzunehmender Abhängigkeit. Doch liegt es überhaupt in der Hand der Eltern oder Lehrer:innen, dem vorzubeugen oder werden sie dabei selbst an ihre Grenzen geführt? Es sollte stärker in präventive Projekte investiert werden. „Mit mehr präventiven Projekten oder Medienpädagogik als Schulfach kann dem vorgebeugt werden“, so Pauly. Dem entgegen steht die Meinung der Schülerin: „Natürlich sind die Eltern zuständig dafür, zu kontrollieren, dass sich ihr Kind nicht zu viel und vor allem nicht auf den falschen Seiten des Internets aufhält. Ich denke allerdings, dass die Verantwortung in den Händen der Generation Z selbst liegt, jeder möchte dazu gehören und mittlerweile ist der Alltag für den Großteil meiner Generation ohne WhatsApp und Instagram unvorstellbar.“
In Bezug auf Informationsbeschaffung sind Soziale Medien der Spitzenreiter für die Generation Z. Gerade der Zeitvertreib und die Selbstdarstellung spielen dabei eine große Rolle. Zwar ist der Umgang mit Smartphones & Co. heutzutage eine Selbstverständlichkeit für Kinder und Jugendliche. Aber nur weil fast jeder mit Technologien umgehen kann, heißt das nicht, dass auch jeder Medienkompetenz besitzt.