Generation Match: Vom Liken und Ghosten

Mal ein Wisch nach rechts, mal nach links. Für die Generation Z ist das digitale Daten nicht wegzudenken. Dating-Apps wie Tinder & Co eröffnen uns den Zugang zu einem grenzenlosen Marktplatz. Das Motto: Swipe and Match. 

Vor einem Jahr hätte sie niemals gedacht, dass dieser Like ihr Leben versüßen würde. Eben noch sieht sie ein hübsches Foto und ein paar Personendaten, ohne sich weiter Gedanken zu machen, doch dann beginnt er zu schreiben! Freude steigt in Johanna Brnic, der 21-jährigen BWL-Studentin aus Offenbach, auf, als ihr Display aufleuchtet. Nach tage- und nächtelangem Schreiben kommt es dann endlich zum ersten Treffen. Trotz der kalten Märzbrise schlendern sie am Frankfurter Mainufer entlang. Die Gespräche mit Philip wirken von Beginn an absolut vertraut. Ihr Herz pocht wie verrückt. „Wir haben uns dann direkt nach ein paar Tagen wieder getroffen“, sagt Johanna. 

Online Dating ist in der Social Media-Generation ein beliebter Trend, dem sich Singles kaum noch entziehen können. Im besten Fall finden sie nach ein paar spannenden Erfahrungen eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Über eine Dating-App wie Tinder oder Bumble ist das auch blitzschnell möglich – ohne am Freitagabend mit Freund:innen in die nächste Bar zu gehen. Doch manchmal sucht man sich auch zu Tode. Knapp die Hälfte der jungen Erwachsenen in Deutschland hat schon einmal Online-Dating-Dienste ausprobiert. Hier können Nutzer:innen innerhalb von wenigen Minuten ein Profil erstellen und ihre Optionen unbegrenzt ausloten. Ein paar Mal Klicken und Wischen – und zack! It’s a Match!

Gerade im Corona-Zeitalter sind die Plattformen ganz vorne dabei. Neben neuen Rekorden an Swipes entwickelt sich ein Aufwärtstrend für Videocalls und längeres Chatten. Laut dem Soziologen Dr. Kai Dröge vom Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main verkörpern die Flirtdienste nicht nur eine Technologie, sondern eine eigene Kultur des Kennenlernens. Zudem spricht er von einem weiteren Phänomen der Digitalisierung. Durch die Anzahl an Likes wird uns eine komplett andere Sichtweise auf die eigene Person eröffnet, bei der wir mit verschiedenen Daten sowohl Selbst- als auch Fremdwahrnehmungen überprüfen können. Ferner spielt die Suche nach Anerkennung eine beachtliche Rolle. „Dabei handelt es sich auch um eine ganz neue Form der Selbstbeobachtung”, unterstreicht Dröge. 

Trotz der vielen Möglichkeiten, neuen Leuten zu begegnen, birgt diese schöne Welt auch einige Probleme und ist manchmal noch herausfordernder, als es zwischenmenschliche Beziehungen ohnehin schon sind. Häufig wird gnadenlos nach links geswipet – in der Hoffnung, beim nächsten Profil etwas Besseres zu finden. Und wenn es beim Kennenlernen nicht funkt, ist der Kontakt schnell beendet. 

Doch das wohl größte Problem an der Sache ist „Ghosting“. Dabei handelt es sich um einen unerwarteten Kontaktabbruch. Was heute mit einem heißen Flirt beginnt, kann morgen schnell mit einem Klick enden.

Mehr als 80 Prozent der jungen Generation sind bereits mit diesem Phänomen konfrontiert worden. Weil diese plötzliche Ignoranz immer von einer anderen Person ausgeht, kann man sich kaum davor schützen. Vom Swipen kommt Gen Z trotzdem erstmal nicht so schnell los.

Während manche nach dem perfekten Match suchen, nutzen andere das Online-Dating eher als netten Zeitvertreib oder aus reiner Neugier. Auf jeden Fall ist es der bequemere, aber auch oberflächlichere Weg, sich zu begegnen. Mittlerweile ist es auch üblicher, dass die Single-Ladies den ersten Schritt machen. Durch die Konzeption von Bumble können sie sogar erst an ein Match gelangen, wenn sie einen Chat beginnen. Dennoch folgt das Online-Flirten auch bei Gen Z vielmehr den klassischen Geschlechterrollen. 

Katharina Gerner, die 24- jährige International Management Studentin aus Oberursel, war lange auf der Dating-App Tinder angemeldet, um im World Wide Web ihr Glück zu versuchen. Jedoch hält sie – auch bei vielen Likes – nicht wirklich viel davon. Im Netz ernsthaft jemanden kennenzulernen, daran glaubt sie nicht. „Der Ego-Push spielt dabei natürlich auch immer eine Rolle“, fügt sie hinzu. Trotzdem ergreift sie als selbstbewusste Frau die Initiative und lässt sich nicht nur von den Herren der Schöpfung anschreiben. Likes hat sie wegen vieler unsympathischer Profile allerdings nur selten verteilt. 

Einen witzigen Urlaubsflirt lässt sie sich trotzdem nicht entgehen. Bei einem Kurztrip in Holland lernt sie online jemanden kennen – vollkommen spontan, nachdem sie ein Foto von sich postete. Noch am selben Abend geht sie mit ihm und seinen Jungs etwas trinken. Die Stimmung ist ausgelassen. Das Treffen hat ihre Skepsis deutlich entspannt. „Ich mache sonst nie irgendetwas Verrücktes“, meint sie. Das Online-Dating konnte ihr gläserklirrend doch noch ein Lachen ins Gesicht zaubern. 

Den Mitgliedern der Generation Z kommt es nicht zwingend darauf an, mit dem nächsten Like den Partner fürs Leben zu finden. Dafür wollen sie interessante Menschen treffen und einfach mal locker quatschen. In der Zukunft des Online-Datings rechnet Dröge mit einem verstärkten Einsatz von Algorithmen. Ob diese zu einer erfüllenden Partnerschaft führen, bleibt allerdings fraglich. Der Soziologe meint: „Es ist vielleicht noch nie so leicht gewesen, neue Leute kennenzulernen. Aber daraus eine Beziehung aufzubauen, das ist nochmal etwas ganz anderes. Und das ist so schwer, wie es immer schon war.“

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