Theater hat ein Imageproblem, ein massives. Für viele junge Leute klingt Theater nach etwas Langweiligem, etwas, das nur für das alte, wohlhabendere Bildungsbürgertum bestimmt ist. In diese Welt will man als junger Mensch nicht eintauchen. Welche Ideen gibt es, um mehr junge Menschen aus der Gen Z für das Theater zu begeistern?
Es ist dunkel im Saal, auf den Rängen mucksmäuschenstill. Plötzlich fällt Schnee von der Decke und erhellt den ganzen Raum. Ein leises und zugleich staunendes ,,Oooh“ und ,,Aaah“ ist von den Rängen zu vernehmen. Die Grundschulkinder sind sichtlich begeistert von der Szenerie.
Wir sind im Theater Rüsselsheim und sehen „Aschenbrödel“. Hier ist das Publikum sehr jung. Klar, es handelt sich schließlich um eine Vorstellung für Kinder. Bei den Aufführungen für Erwachsene sieht das ganz anders aus. „Die meisten Zuschauer bei uns sind 50-65“, sagt Johannes Renz, der sein freiwilliges Kulturelles Jahr am Theater absolviert. Er stellt sich oft die Frage, wie man die Überalterung stoppen und das Theater für junge Leute reizvoller machen kann. Denn das kann langfristig gesehen für das Gastspielhaus zu einem echten Problem werden. Zwar ist das Theater ein städtischer Teilbetrieb und wird heute zu einem Großteil aus öffentlichen Geldern der Stadt finanziert – es muss somit nicht um eine Insolvenz bangen. Der Stadt Rüsselsheim geht es jedoch nicht mehr so gut wie früher. Bleibt die Lage so schlecht, könnte eine Schließung in den nächsten Jahren drohen. „Die Ausgaben für die Veranstaltungen übersteigen schon lange die Einnahmen. Die Ticketpreise können die Kosten für die Künstler meistens nur decken. Corona hat die Lage nochmals enorm verschärft“, sagt der 19-Jährige mit resigniertem Blick. Dieser Wandel ist nicht nur im Theater Rüsselsheim zu beobachten. Laut Allensbach besuchen nur zwei Prozent der Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren regelmäßig das Theater, Tendenz fallend. Wenn man sich die Zahlen genauer ansieht, stellt man auch fest: Unter diesen ist ein vornehmlich älteres, besserverdienendes und vor allem gebildeteres Publikum vertreten. Die Probleme dieser Entwicklung sind vielfältig. Das ist auch den Verantwortlichen bewusst.
Was also macht das Theater aktiv, um wieder mehr junge Menschen für seine Stücke zu begeistern? „Wir versuchen die Kinder und Jugendlichen über Schulbesuche schon früh an das Theater heranzuführen. Lehrpläne geben dafür einen guten Anhaltspunkt.

Entsprechende Veranstaltungen werden daraufhin in unserem Haus angeboten“, sagt Renz. Des Weiteren ist das Theater auf eine ganz neue Idee gekommen, die Hemmschwelle zu überwinden. Da die meisten Jugendlichen generell in ihrer Freizeit feiern gehen, wird eine „Electro-Lounge“ eingeführt. Unter dem Motto „Theatre goes Club“, sollen im Foyer eine Bar mit DJ und Tanzfläche aufgebaut werden. Um die Jugend damit zu erreichen und das Ganze als „Marke“ bekannt zu machen, wird ganz modern auf Social-Media-Werbung gesetzt und mit Festival-Bändchen gearbeitet.
Auch im Namen sieht der FKJler ein großes Imageproblem für junge Leute: „Du hörst Theater und schaltest ab. Vor einer Umbenennung stehen jedoch erhebliche Hürden. De facto sind wir auch kein Theater, sondern ein Gastspielhaus. Alles Mögliche im Bereich Kultur ist dort inbegriffen.“ Das Theater macht nicht nur selbst Kultur. Es fördert auch unabhängig davon Konzerte und Bars in der Stadt, was vielen nicht bewusst sein dürfte.
Aber wie kommen die Pläne bei der Jugend an und wie sieht diese die Erfolgschancen? Die 22-Jährige Rania Daoudi ist seit Jahren leidenschaftliche Theatergängerin. Auch sie erkennt viele Probleme bzw. Schwierigkeiten, Jugendliche dafür zu begeistern. Ihr größter Kritikpunkt ist das angebotene Programm. Sie kann sich noch gut daran erinnern, als vor einigen Jahren Kaya Yanar ein Engagement am Theater hatte: „Das Haus war komplett ausverkauft, vor allem junge Leute haben das Angebot wahrgenommen.“ Sie sieht das Problem also nicht in einem generellen Wandel, sondern in den Inhalten. Ideen wie der „Electro-Lounge“ mit der Intention, junge Leute anzusprechen, ist sie eher kritisch gegenüber eingestellt. „Ich weiß nicht, ob die Jugend genau das darstellt, was die Electro-Lounge repräsentiert.
Electro ist nicht jedermanns Sache, vor allem ist das Genre bei Weitem nicht nur auf Junge begrenzt.“ Sie wünscht das Beste für das Projekt, würde es aber nicht als Universallösung sehen: „Da muss noch viel mehr passieren. Man sollte genau hinschauen, wo sich junge Menschen in ihrem sozialen Umfeld bewegen, wo sie auf einen Nenner kommen und dort mit gemischten Veranstaltungen ansetzen. Eine ist für das ausgesprochene Ziel leider zu wenig.“
Was das Theater weiter macht bzw. plant und wie erfolgreich die angestrebten Konzepte sind, das wird die Zeit zeigen. Dass das Problem erkannt und an diesem gearbeitet wird, ist erstmal ein positives Zeichen. Was jedoch generell feststeht, und da sind beide überzeugt: Das Theater wird uns noch sehr lange begleiten und erhalten bleiben, es ist noch lange kein Auslaufmodell. Vor allem, wenn man die kulturelle Einrichtung über das klassische Schauspiel hinaus definiert. Falls das Theaterhaus in Zukunft als Treffpunkt für alle kulturellen Facetten gesehen wird, dann steht dem eine erfolgreiche Zukunft bevor. Denn: Was ist unsere Gesellschaft noch ohne kulturelle Vielfalt?