Diagnose Depression

Immer häufiger erhalten junge Erwachsene die Diagnose Depression. Wie die Krankheit sich zeigt, ist so individuell wie es ihre Ursachen und Auslöser sind. Die hohe Zahl der Diagnosen innerhalb der Generation Z geht vor allem auf deren offenen Umgang mit der Thematik zurück.

„Es geht mir gut“, sagt Sarah Maria Becker und lächelt. Wenn sie diesen Satz heute sagt, meint sie ihn ernst. Lange Zeit war das nicht der Fall. Die 24-jährige Studentin ist an einer depressiven Störung erkrankt, die sie sich und ihrem Umfeld jahrelang nicht eingestehen konnte. Mit ihrer Diagnose ist Sarah nicht allein. Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Krankheitsbildern bei jungen Menschen. Jede vierte Frau und jeder achte Mann durchlebt mindestens einmal im Leben eine depressive Phase. Etwa drei bis zehn Prozent der zur Generation Z gehörenden Bevölkerung suchen bereits im Jugendalter ärztliche Hilfe auf.

Bei Ärzt:innen und Therapeut:innen wird diese Entwicklung als positiv wahrgenommen. „Es ist nicht so, dass die Generation Z anfälliger für Depressionen ist als die vorangegangenen Generationen. Der Anstieg der Diagnosen kommt daher, dass es zum einen weniger Fehldiagnosen diesbezüglich gibt. Zum anderen ist es aber auch so, dass die Menschen eher zum Arzt gehen und sich aktiv Hilfe suchen“, erklärt Christine Reif-Leonhard, leitende Oberärztin in der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.

Für Sarah war das anders. Allein der Gedanke an eine Psychotherapie stieß bei ihr auf Widerstand. „Ich habe meine Symptome sehr lange ignoriert und verdrängt. Als ich 14 Jahre alt war, hatte ich bereits Suizidgedanken, Stimmungsschwankungen und Motivationsverlust, aber das habe ich einfach auf die Pubertät geschoben. Selbst als ich mir nach dem Tod meines Großvaters bewusst gemacht habe, dass irgendetwas in mir nicht stimmt, bin ich nicht zum Arzt gegangen. Für mich hat das etwas Unnormales bedeutet, in Therapie zu gehen, ich habe mich geschämt und wollte damit nicht in Verbindung gebracht werden. Erst nach einem Zusammenbruch und der Einweisung in eine Klinik, als ich 21 Jahre alt war, habe ich mir die Krankheit wirklich eingestanden“, sagt sie. Im Nachhinein ist sie dankbar für den Aufenthalt in der Klinik und die Unterstützung, die sie von Familie und Freund:innen erhalten hat. Inzwischen erkennt die Studentin die Stärke darin, sich helfen zu lassen. Um andere Betroffene dabei zu unterstützen, ihre Depressionen frühzeitig zu erkennen, informiert sie in den sozialen Netzwerken über das Krankheitsbild und hat ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben.

Da Depressionen von Mensch zu Mensch anders verlaufen, werden sie oft nicht sofort als psychische Störungen wahrgenommen. Gemäß der Stiftung Deutsche Depressionshilfe handelt es sich bei der Depression um eine Erkrankung, die das Handeln, Fühlen und Denken der Betroffenen beeinflusst und erhebliches Leiden verursacht Ärzt:innen diagnostizieren die Krankheit, wenn Symptome über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen vorhanden sind.

Zu den Frühsymptomen gehören Ein- oder Durchschlafstörungen, Zurückgezogenheit, Motivationsverlust, ein geringes Selbstwertgefühl und Suizidgedanken. Auch anhaltende Müdigkeit, das Gefühl von innerer Leere und Freudlosigkeit können Anzeichen einer Depression sein.

In der Regel sind Depressionen nicht auf eine einzige Ursache oder einen einzigen Auslöser zurückzuführen. Es ist das Zusammenspiel verschiedener Belastungsfaktoren, das sich als Depression äußert. Genetische Faktoren oder hormonelle Veränderungen haben genau so viel Einfluss auf die Entstehung von Depressionen wie traumatische Erlebnisse, Verluste oder Überlastung. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken, erhöht sich, wenn nahe Verwandte ebenfalls von der Krankheit betroffen sind oder während der Jugend bereits psychische Störungen aufgetreten sind.

Die durch die Covid-19-Pandemie bedingte soziale Distanz stellt vor allem für die jüngeren Angehörigen der Generation Z einen großen Belastungsfaktor dar. Friederike Rau-Kieß, Lehrerin an einer weiterführenden Schule, beobachtet seit 2020 einen Anstieg der Freudlosigkeit ihrer Schüler:innen. „Körpersprachlich lässt sich viel erkennen“, sagt sie. „Viele Schüler sitzen zusammengekauert da, verschränken ihre Arme oder verstecken sich unter ihren Jacken und Kapuzen. Sie wissen nicht, wie sie mit der ungewohnten Situation und dem Leistungsdruck umgehen sollen. Einige schreiben Sätze wie „Ich will sterben“ an ihren Heftrand.“ Die Beobachtungen der Lehrerin decken sich mit denen der Ärzt:innen und Therapeut:innen. Christine Reif-Leonhard bestätigt, dass bei jungen Menschen seit Beginn der Pandemie ein massiver Anstieg an Depressionen, Anorexie und Angststörungen zu verzeichnen ist.

Doch die Jugendlichen wissen sich zu helfen: Friederike Rau-Kieß erlebt regelmäßig, dass Schüler:innen diese Themen von sich aus ansprechen und sich nicht davor scheuen, Hilfe zu suchen. Auch in ihrem virtuellen Wahlkurs „Psychologie und Selbstentwicklung“ bekunden die Jugendlichen Interesse an den Gebieten Motivation, Störungsbilder und Stressmanagement. Charakteristisch für Generation Z ist die Bereitschaft, sich ernsthaft mit psychischen Erkrankungen auseinanderzusetzen und durch einen offenen Diskurs zur weiteren Entstigmatisierung beizutragen.

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