Ob aus finanziellen oder organisatorischen Gründen: Viele Student:innen halten klimafreundliches Verhalten im Alltag für eine große Herausforderung. Aber ist es wirklich unmöglich, während des Studiums umweltschonend zu leben?
Mit einem leisen Klick rastet das Schloss ein und sie nimmt den Baumwollbeutel aus dem Korb ihres Drahtesels. Dabei purzelt regionales Obst und Gemüse mit einer pflanzlichen Hackfleischalternative durcheinander – natürlich alles in Bio-Qualität. Mit einer Hand wühlt sie in der Tasche ihrer Jacke, die sie im Secondhandladen ergattert hat und zieht triumphierend einen kleinen Schlüssel hervor. Schließlich öffnet die junge Frau die schwere Eingangstür und verschwindet im Inneren des Wohnheimes.
Auf den ersten Blick ist Jule die perfekte umweltbewusste Studentin. Sie ernährt sich seit Anfang 2020 vegan und engagiert sich in ihrer Freizeit bei „Fridays for future“. Doch trotz aller Bemühungen steht die junge Frau immer wieder vor der Frage, in welchem Maß Klimaschutz in ihrem Alltag möglich ist. „Verzicht ist halt schon eine schwierige Sache“, meint sie, besonders wenn es um Leistungsfragen in ihrem Studiengang Architektur und Stadtplanung geht. Ob bei Materialien für den Modellbau oder bei technischer Ausrüstung: Oft muss sie Dinge neu kaufen, um die geforderte Leistung erbringen zu können. Die Qualität der studentischen Arbeit hat hier Priorität und kann den Aspekt der Nachhaltigkeit schnell in den Hintergrund drängen.
Für viele Studierende scheint ein umweltbewusster oder sogar klimaneutraler Lebensstil also unerreichbar zu sein. Besonders das Debut im nachhaltigen Alltag gestaltet sich häufig kompliziert: Mobilität, Konsum oder auch Essverhalten – es muss auf einiges geachtet werden. Die Vielzahl der Artikel im Netz, die mit hilfreichen Tipps werben, tragen durch Auflistung unzähliger Maßnahmen lediglich zu einer noch größeren Verwirrung bei. Ebenso hinderlich kann die Wohnsituation der Student:innen sein, da viele Wohnheime beispielsweise keinen Wechsel zu Ökostromanbietern ermöglichen. Sollte keine geeignete Anbindung zum öffentlichen Nahverkehr bestehen, wird aus Zeitgründen auch schnell auf das Auto zurückgegriffen. Dieses stößt auf längeren Strecken allerdings die fünffache Menge an Treibhausgasen eines Zuges aus und schränkt somit die Wirksamkeit eines umweltfreundlichen Alltags erheblich ein. Es handelt sich demnach vor allem um systemische Fragen, die Einzelpersonen selten beeinflussen können. Sind Student:innen also im Thema klimafreundliches Leben machtlos und auf sich allein gestellt?
Im Gegenteil. Es gibt zahlreiche Organisationen und Universitäten, die zum Beispiel durch Projekte Unterstützung anbieten.
Die CBS International Business School ist eine davon. Seit 2013 wird Nachhaltigkeit dort in die Lehre integriert und sie gilt als Hochschule mit klimaneutralem Campus. Das bedeutet, dass die CO2- Emissionen weitgehend reduziert und durch die Unterstützung von Klimaschutzprojekten ausgeglichen werden. Unter dem Motto „creating tomorrow“ sieht die Präsidentin der Hochschule, Elisabeth Fröhlich eine große Verantwortung darin, junge Menschen zu reflektierten und kompetenten Entscheidern auszubilden. Nur so könnten aktuelle Probleme gelöst und die Gesellschaft verändert werden. Neben den drei nachhaltigen Studiengängen der CBS schlägt sie als Weiterbildungsmöglichkeit das „Carbon Literacy Training“ vor. Hier soll Bewusstsein für den CO2-Austoß von alltäglichen Handlungen geschaffen und über potenzielle Maßnahmen dagegen aufgeklärt werden. Es sei auch als Individuum möglich, die Klimaneutralität zu erreichen, doch im Alleingang gestalte sich das als eher schwierig. „Wichtig ist Austausch, kritische Reflektion und Neugierde, und das müssen wir in jungen Menschen wecken – dann bekommen wir auch das mit der Klimaneutralität hin“, ist Fröhlich überzeugt.
Gemeinsame Bemühungen und Zusammenarbeit sind demnach mehr wert als das krampfhafte Streben nach Perfektion. In erster Linie ist es unwichtig, in welchem Ausmaß es Student:innen gelingt, persönlich mehr auf die Umwelt zu achten. Vielmehr geht es um die Bereitschaft, den CO2- Ausstoß zu reduzieren und sich gegenseitig zu inspirieren und unterstützen. Die Handlungsmöglichkeiten sind hierbei für jede:n unterschiedlich und es gibt deshalb auch nicht den einen, richtigen Weg zum Ziel. Es muss individuell abgewogen werden, was im Rahmen der eigenen Ressourcen möglich und zumutbar ist.
Auch Jule ist der Meinung: „Durch Passivität wird’s auf jeden Fall nicht besser.“ Dabei hat sie selbst gewisse schwache Stellen und gibt offen zu, sich keineswegs immer moralisch einwandfrei zu verhalten. Besonders ärgert sie ihr ständiger Gebrauch von Aufzügen, die natürlich mehr Strom verbrauchen als Treppensteigen. Außerdem hat sie während des Semesters kaum Zeit für Dinge wie Food Sharing und gewisse Aspekte des Umweltschutzes gehen im Studienstress schnell unter. Dennoch behält die junge Frau den Willen, aktiv etwas zu verändern. Sie lässt sich nicht entmutigen und gibt weiterhin ihr Bestes, um im Alltag so klimafreundlich wie möglich zu leben.